Die Kornmuhme (German Edition)
gegen die in ihm aufsteigende Verzückung, zur Wehr zu setzen.
Hektisch sucht er die
Wasseroberfläche wieder nach dem Kopf des Jungen ab, doch er sah ihn nicht
mehr. Aron hatte aufgehört, gegen die Strömung anzukämpfen. Zu seinem Glück
hatte sich der Fenrisfaden so um seinen mit Fell umwickelten Arm verknotet,
dass er ihn nicht freigab. Aber was nutzte das, wenn er dabei war zu ertrinken.
Aron dachte nicht mehr an den
Faden, an das andere Ufer, an seine Mission, an Ranja … ihm war nur noch
wichtig, der Stimme mit jedem Meter den er sank, näher zu kommen, dieser
wunderbaren Stimme …
Vielleicht war es eine
Flussjungfrau, dachte er bei sich. Von denen hatte er schon so manche
Geschichte gehört. So gerne würde er die Zauberhafte sehen! Seine Sinne
schwanden ihm langsam.
Sonnwin überlegte nicht lang. Er
knotete den Faden an der Weide fest, kniete sich rasch auf den Boden, grub
beide Hände ins sandige, nasse Ufer und begann inbrünstig und mit dunkler
Stimme uralte Zauberformeln zu murmeln. Ein aus Erde Erschaffener sprach zu den
Geschöpfen der Erde, denn über diese hatte er Macht.
Er wiederholte die uralten Worte
immer und immer wieder, bis sich um ihn herum das Erdreich in Bewegung setze.
Es sah aus, als würde es unter seinen Händen zu brodeln beginnen. Unter dem
Sand begannen sich Millionen kleiner Tierchen zu bewegen. Sie alle strömten auf
Sonnwin zu. Auch aus dem Wald kamen gespenstische Erdwellen auf ihn
zugeflossen, die aus Milliarden winziger Körper zu bestehen schienen. Dann
breiteten sich Wellen aus und stoben halb ringförmig von Sonnwin ausgehend ins
Wasser hinein. Der mächtige Bann des Zwergen erfasste alles Gewürm und jeden
Käfer, jeden Maulwurf, jede Muschel und sogar die Fische des Flusses.
Mit gespenstischer Schnelligkeit
bäumte sich ein zweiter, riesiger Wall aus Getier und Erde hinter ihm auf und
rollte aus dem Wald von der Böschung herab, umfloss seine Füße, dann ins Wasser
hinein, und traf sich dort mit der riesigen Woge aus Schlick und Flusstieren,
um sich mit ihr zu vereinen. Die schlammige Lawine gehorchte Sonnwins Befehlen.
Aus dem Nichts heraus bildete sich eine Landzunge, die immer weiter ins Wasser
wuchs. Der neue Wall schob sich, mit einer ungeheuren Kraft Stück für Stück
weiter und weiter gegen die Strömung ankämpfend, in die Mitte des Flusses. Aron
war nun schon tief nach unten gesogen worden und verlor mit einem Lächeln auf
den Lippen das Bewusstsein.
Die magische Lawine hatte ihn fast
erreicht, da wurde ihre Spitze wieder fortgerissen, so dass nur noch ein Teil
der schlammigen, brodelnden Zunge in den Fluss hinein leckte.
Nun schrie Sonnwin die Worte in
den Boden und drückte seine Hände so kräftig ins Erdreich, das sich seine
Knöchel weiß färbten.
Da donnerte es hinter ihm im Wald,
und eine gigantische Wand aus Körpern und Erde türmte sich hinter ihm auf.
Sogar die Tiere des Waldes kamen nun gerannt. Rehe, Hirsche, Hasen,
Eichhörnchen, Kaninchen warfen sich mit verdrehten Augen in die Fluten und
schoben das neu entstandene Land immer weiter in die Flussmitte. Eine
gigantische Hand aus Gewürm, Tierkörpern, Schlick und Muscheln umschloss Aron
tief unten, hob ihn an die Wasseroberfläche und zog ihn dann mit gewaltiger
Kraft zu Sonnwin ans Ufer.
Sobald Aron das feste Land
berührte, brach der Bann, und die tierischen Körper verloren ihre Einheit, um nur
Sekunden später wild strampelnd von den Fluten davongerissen zu werden.
Schlagartig war der Spuk vorbei, und Sonnwin stand in einer Schneise von
abgetragenem Erdreich. Vor ihm lag wieder der ruhige, dahinströmende Fluss und
Aron.
Der Zwerg sah verdattert auf den
hustenden, Wasser spuckenden und verschlickten Aron, der es schwer hatte, bei
Bewusstsein zu bleiben. Sonnwin hatte diesen Zauber schon oft angewandt, aber
um Himmels willen!! … Niemals war er so mächtig gewesen! Er ließ sich
basserstaunt auf den Hosenboden fallen. Was hatte Albuin ihm da, verdammt
nochmal, mitgegeben? Er griff in seine Hosentasche, zog das kleine, kunstvoll
geschmiedete Amulett hervor und schaute es ungläubig an.
Albuin hatte ihm gesagt, dass es
seine Kräfte vervielfachen würde, aber dass es eine solche Macht besaß, wär ihm
im Leben nicht in den Sinn gekommen.
Er steckte es wieder in seine
Hosentasche, schloss diesmal jedoch den Knopf, damit er es ganz sicher nicht
verlieren konnte. Dann kam ihm diese Stelle doch zu unsicher vor. Er zog es
wieder hervor und hängte es sich direkt um den
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