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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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alten Ohren solch leise Geräusche
sicherlich nicht mehr vernehmen konnten. Sie fühlte sich ein wenig schuldig,
aber Sie musste in das verbotene Zimmer, um endlich Klarheit zu schaffen - um
sich selbst zu beweisen, dass mit ihrer Tante alles in Ordnung war, ja, dass
sie das Zimmer wirklich nur abgeschlossen hatte, weil es mit der Fensterseite
zum Wald zeigte und nicht, weil sie etwas zu verbergen hatte.
    Als sie die Türe des verbotenen
Zimmers erreichte, legte sie ein Ohr daran und horchte. Einen Moment lang
glaubte sie ein leises Quietschen zu vernehmen, doch als sie genauer hinhörte,
war da nichts mehr. Sie ärgerte sich, dass ihre Sinne ihr solche Streiche
spielten, wie so oft in den letzten Tagen. Sie blieb eine lange Zeit
unschlüssig vor der Türe stehen. Dann hob sie sachte die Hand und drückte mit
pochendem Herzen und unendlich vorsichtig die Klinke herunter. Es war, wie zu
erwarten abgeschlossen. Irgendwie erleichterte sie das. Zunächst wollte sie
zurückgehen, besann sich dann aber.
    Sie schlich in die Küche, blieb in
der Mitte des Raumes unschlüssig stehen und blickte sich nach etwas um, womit
sie das Schloss öffnen konnte. Der Tonkrug machte ihr Angst. Ja, es war nur ein
dummer Traum gewesen, aber dort die Hand hinein zu stecken, um den Schlüssel
herauszuholen – nein, das konnte sie sich nicht vorstellen. Sie suchte nach
etwas, mit dem sie das Schloss eventuell aufbrechen konnte. Aber was auch immer
sie fand, nichts half ihr wirklich weiter. Sie verursachte zudem mit ihrer
Suche zu viel Lärm. Mara war zwar schwerhörig, aber sie war nicht taub!
Außerdem würde Ranja, was immer sie auch verwenden würde, die Türe damit schwer
beschädigen. Der Schlüssel war ihre einzige Möglichkeit.
    Sie steuerte nun doch auf den
Tonkrug zu, zögerte einen Moment lang, hob dann den Deckel ab und lugte
vorsichtig hinein. Darin lagen einige Zwiebeln und Kartoffeln. Plötzlich kam
sie sich albern vor. Sie schüttelte den Kopf über ihre Torheit. Wie konnte sie
glauben, dass darin eine Hand sein würde, die nach ihr griff.
    Ihre Finger glitten zwischen den
Zwiebeln hindurch und berührten den Boden. Sie tastete ein wenig herum, fand
jedoch nichts. Als sie ihre Hand gerade wieder herausziehen wollte, fiel ihr
Blick auf die Innenseite des Holzdeckels, den sie in der anderen Hand hielt. Es
war eine kleine, kaum sichtbare Klappe in das Holz des Deckels eingelassen.
Ranjas Herz schlug schneller, als sie daran herumnestelte und sie
schlussendlich öffnen konnte.
    Tatsächlich lag dort der Schlüssel
in diesem geheimen, kleinen Fach. Er musste an dem Tag, als sie ihn auf dem
Boden des Kruges erfühlt hatte, herausgefallen sein. In ihr begann Panik
aufzusteigen. Ihre Tante hatte sich also große Mühe gegeben, den Schlüssel zu
verstecken. Der Schlüssel sah merkwürdig aus. Er war schwarz und an seinem Ende
saß eine hässliche Fratze, die aus dem Metall getrieben worden war. Sie atmete
zwei-, dreimal tief ein und aus und versuchte sich zu beruhigen.
    Auf Zehenspitzen schlich sie dann
zurück zum verbotenen Zimmer. Lange blieb sie davor stehen um ihre Angst
niederzuringen. Doch es gelang ihr nicht. In ihr schrie eine warnende Stimme,
sie solle den Schlüssel zurücklegen - bloß nicht diese Tür öffnen – bloß nicht
in dieses Zimmer schauen! Aber sie musste es wissen, es gab für sie kein Zurück
mehr.
     Leise steckte sie den Schlüssel
ins Schloss und drehte unfassbar langsam daran, bis ein Klicken verriet, dass
der Metallbolzen zurückgeschnellt war.  - Gryla öffnete schlagartig die Augen.
-  Nach weiterem langem Zögern drückte Ranja die Klinke herunter, und öffnete
die Türe einen Spalt breit. Ein kalter Luftzug schlug ihr entgegen, so als wenn
das Fenster zum Wald geöffnet wäre. Sie ließ die Türe lautlos in den Raum
hinein schwingen und erstarrte.
    Das Zimmer war bis zu seiner Decke
mit Spindeln voller grauer Wolle angefüllt. Es mussten tausende sein. Das
Wispern unzähliger Stimmen lag in der Luft, und in der Mitte des Raumes stand
ein Spinnrad, das sich, wie von Geisterhand drehte.
    Lange stand Ranja wie betäubt
einfach nur da und betrachtete mit weit aufgerissenen Augen die gespenstische
Szenerie. Dann gab sie sich einen Ruck und ging hinein, am Spinnrad und den
großen Haufen aufgetürmter Spindeln vorbei, zu einem Schränkchen, das zu ihrer
Linken stand. Auf ihm befand sich ein großer messingverzierter Spiegel. Als sie
hinein blickte, schrie sie vor Entsetzen und presste sofort die Hand vor

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