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Die Kornmuhme (German Edition)

Die Kornmuhme (German Edition)

Titel: Die Kornmuhme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H. Schreiber
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Schauer erfasste seinen Körper.
    Er spürte etwas an seiner Schulter
und als er einen Blick zurück warf, sah er, wie überraschend nah ihnen der
Verfolger in den letzten Sekunden noch einmal gekommen war. Nun hörte er ihn
keuchen und sah, wie er mit starrem Blick seine Hand ausstreckte und ihn fast
an der Schulter erheischte. Er schrie gellend auf, und Aron mobilisierte noch
einmal alle Kräfte. Sie flogen dahin und mit einem letzten rettenden Sprung
landeten sie auf dem Waldboden. Sie gingen zu Boden, kullerten über das harte
Wurzelwerk und blieben dann, vor Schmerzen benommen, liegen.
    Vor Arons Augen drehte sich alles,
aber er versuchte sich schnell aufzurichten, zu orientieren und den Verfolger
wieder ins Blickfeld zu bekommen. Tatsächlich stand dieser wie angewurzelt nur
wenige Meter von ihnen entfernt vor der Moosgrenze, die sich wie ein schmaler
Gürtel um den ganzen Wald zu legen schien. Sein Anblick gab ein schauriges Bild
ab. Genau wie die Tiere in der Nacht zuvor, stand der heruntergekommene Mann
stocksteif da und starrte, das Messer in der Hand haltend, auf sie herab. Er
atmete so schwer, dass Aron fast glaubte, der Mann würde bald das Bewusstsein
verlieren. Doch er blieb schwankend stehen und starrte sie hasserfüllt an.
    Aron juchzte völlig außer Atem und
schüttelte Sonnwin vor Freude. Der Zwerg jedoch hörte nicht was Aron sagte. Ihn
interessierte auch nicht mehr, dass ihr Verfolger nur wenige Meter von ihnen
entfernt stand. Er blickte abwesend zum Fluss hinüber und lauschte auf die
Stimme der alten Winselmutter, die ihn anflehte: >> Mein Gatte, komm zu
mir! <<
     
     

38
     
    Ranja war nun endgültig erwacht
und ging unruhig in ihrem Zimmer auf und ab. Das Haus war vollkommen still.
Auch kein Vogelgezwitscher drang von außen herein. Die Nachmittagssonne hatte
sich geneigt und fiel satt und gelb in breiten Strahlen durch die Fensterläden,
so dass sie den Staub darin tanzen sehen konnte. Sie kniff sich mehrfach in den
Arm – ja sie war wach, das war jetzt sicher. Sie dachte nach. Diese Träume
waren schrecklich. Aber sie schienen sie warnen zu wollen, so als würde ihr
Unterbewusstsein ihr etwas sagen wollen.
    Ranja unterdrückte seit Tagen die
Angst vor Mara, die sich schon längst in ihr Herz geschlichen hatte, und sich
darin nun unkontrolliert ausbreitete. Sie musste unbedingt wissen, was es mit
dem verbotenen Zimmer auf sich hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass
irgendetwas Schlechtes von Mara ausgehen konnte. Eher noch hielt sie es für
wahrscheinlich, dass sich in ihren Träumen ihre Ängste wiederspiegelten, da sie
jetzt so nah am Wald wohnte, und nicht mehr in dem vermeintlichen Schutz ihrer
Eltern und der Dorfgemeinschaft.
    Dann dachte sie jedoch an die
merkwürdige Wolle, die Mara in jede Ritze steckte. Wo kam sie her? War die Ähnl
verhext? Ranja hatte den Verdacht, dass Gryla sie weiter quälen wollte. Sie
nahm ihr nun auch noch den letzten Menschen, der ihr geblieben war. Immer wenn
sie die Augen schloss, sah sie die Bilder ihrer sterbenden Eltern. Sie hatte
manchmal sogar am Tage Sinnestäuschungen, die ihr eine Heidenangst einjagten,
und dann diese Alpträume! Gryla rächte sich sicherlich an ihr für das, was ihre
Eltern getan hatten. Ranja dachte immer wieder an ihre geliebte Mara und Tränen
stiegen ihr in die Augen.
    Es war, als wenn ihre Tante gar
nicht mehr existent wäre. Nur noch ein Schatten ihrer selbst. Hier hatte sie
einen großen Teil ihrer Kindheit verbracht. Mara war für sie wie eine zweite
Mutter gewesen, hatte sie liebevoll umsorgt und verhätschelt. Und jetzt sollte
Gryla ihr noch das Letzte nehmen, das ihr geblieben war, indem sie Misstrauen
und Angst in Ranjas Herz säte? Niemals!
    Einzig das Zimmer - das einzige
Geheimnis, das Mara vor ihr je gehabt hatte, und auf das sie nicht angesprochen
werden wollte, seit Ranja denken konnte - stand nun noch zwischen ihnen. Zum
ersten Mal in ihrem Leben. Als Kind hatte sie gedacht, es sei eine schrullige
Eigenart ihrer Tante. Ihre Mutter hatte öfter darüber gesprochen und sich
manchmal lustig gemacht. Jetzt zog Ranja dieses Zimmer immer mehr an. Es fühlte
sich fast so an, als rufe es nach ihr. Ihre Neugierde wuchs von Tag zu Tag, und
sie wollte und konnte dem nicht mehr wiederstehen.
    Ranja gab sich einen Ruck und
schlich aus ihrem Zimmer. Die Bohlen knarzten leise unter ihren nackten Füßen,
aber sie wusste, dass die Ähnl schlief, wie die meiste Zeit des Tages, und
dass, selbst wenn sie wach war, ihre

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