Die Kraft der Mitfuehlenden Kommunikation
von seinem Problem und setzte seine Logikzentren ein, um die Peinlichkeit zu überspielen.
Bei einigen Schlaganfallpatienten liegt der Bereich der Schädigung zwischen den Zentren für das Zuhören und denen für das Sprechen, so etwa bei einer Patientin namens Dorothy. Wenn ich sie bat, ein Glas Wasser zu holen, ging sie zum Waschbecken, nahm sich ein Glas und ließ es voll Wasser laufen. Wenn ich sie aber fragte, was sie denn trinken wolle, konnte sie nicht antworten, sondern erwiderte etwa: »Ich wollte nur ein wenig herumlaufen.«
Solche Fälle demonstrieren, wie komplex und empfindlich unsere Sprachsysteme sind. Bei bestimmten Formen der Schizophrenie können die Verarbeitungszentren so durcheinandergeraten, dass die bizarrsten Wörter für manche Objekte gewählt werden, und doch scheinen sie für den Patienten durchaus sinnvoll zu sein.
Jedes Gehirn entwickelt sich vom Augenblick der Geburt an auf einzigartige Weise, und es gibt keine zwei Menschen mit demselben Kommunikationsstil. Das ermöglicht einen großen Spielraum für Kreativität, erklärt aber auch, warum man einander so leicht missversteht. Noch schlimmer wird die Lage dadurch, dass wir uns nur eines kleinen Teils der inneren Kommunikation bewusst sind, die ständig in unserem Gehirn abläuft. Die Forschung zeigt deutlich, dass wir alle die Fähigkeit haben, unser Bewusstsein und unseren Kommunikationsstil zu verbessern, aber wir müssen bei jedem Gespräch daran arbeiten. Das Bewusstsein verlangt, dass wir uns auf den gegenwärtigen Moment konzentrieren und uns nicht von der inneren Umtriebigkeit des Gehirns und dem Getümmel der Außenwelt ablenken lassen.
Um den Vergleich mit den Vereinten Nationen wiederaufzunehmen, mit dem wir das Kapitel eingeleitet haben: Das Bewusstsein ist wie eine einzelne Person, die tausend verschiedene Sprachen übersetzen soll, die gleichzeitig von tausend verschiedenen Sprechern benutzt werden, um über tausend verschiedene Themen zu referieren – die allesamt unmittelbar wichtig für sie sind.
Wenn eine Regierung so arbeitete, würde der Staat wohl zusammenbrechen. Aber das menschliche Gehirn scheint ganz gut damit zurechtzukommen. Es gibt allerdings genug Belege dafür, dass die Begrenzungen des menschlichen Bewusstseins uns unnötigen Stress und Angstgefühle verursachen. Trotz dieses Dilemmas können wir unser Gehirn darauf trainieren, Informationen effizienter zu verarbeiten. Wir können von der Sprache des Alltagsbewusstseins zu der des transformierenden Gewahrseins überwechseln, die im nächsten Kapitel behandelt wird.
Kapitel 4
DieSprache des Bewusstseins
Gewahrsein. Aufmerksamkeit. Wachsamkeit. Intelligenz. Selbstreflexion. Geistige Repräsentation. Selbsterkenntnis. Symbolisches Assoziieren. Aktives Denken. Erlerntes Verhalten. Sprachliches Verständnis. Erkenntnis. Erleben. Vorstellungskraft. Inneres Bezeugen. Verstehen. Innenschau. Persönliche Identität. Erinnerung. Voraussicht. Nachahmung. Geist. Freier Wille. Moralisches Gewissen. Innerer Dialog. Explizites Gedächtnis. Zeitwahrnehmung. Subjektive Vorstellungskraft. Analogiebildung. Intentionalität. Innere Rückmeldung. Rationale Kontrolle. Selbsterregung. Geistige Zeitreise. Emergente Kreativität. Qualia. Universelles Wesen. Gott.
Da haben Sie es: eine unvollständige, aber kurz gefasste Zusammenstellung von 26 Jahrhunderten philosophischer, theologischer, psychologischer und wissenschaftlicher Spekulation über das Wesen des menschlichen Bewusstseins. Jeder weiß, dass es existiert, aber bis jetzt hat noch niemand herausgefunden, was es ist, wo es ist oder wie es funktioniert. 1
Wir haben nicht einmal eine allgemein anerkannte Definition. William James, der Begründer der amerikanischen Psychologie, schloss daraus 1904, dass das Bewusstsein nichts mehr sei als »ein bloßes Echo, der schwache Widerhall der verschwindenden ›Seele‹ in der Luft der Philosophie«.
Einhundert Jahre später drückten Nobelpreisträger Francis Crick und der Neurologe Christof Koch sich ähnlich aus, als sie die Naturwissenschaftler aufforderten, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden, »außer in einem sehr weit gefassten Sinn« 2 . Aber auch sie schrieben weiterhin insgesamt Dutzende von Artikeln und Büchern, in denen sie versuchten, das Wesen dieses mysteriösen Ungeheuers einzugrenzen. Die Suche nach einer Definition dauert bis heute fort und ist eines der umstrittensten Themen in der Naturwissenschaft, der Psychologie und Theologie. Selbst der
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