Die Kraft der Mitfuehlenden Kommunikation
gilt es als unhöflich, jemandem zu sagen, er sei schön.
Normalerweise legen wir, wenn wir sprechen, die irrtümliche Annahme zugrunde, dass alle anderen unsere Worte genauso verstehen wie wir selbst. Das stimmt jedoch nicht. Wir müssen also unser Sprachbewusstsein erweitern und berücksichtigen, dass jeder etwas anderes in unsere Worte hineinhört. Wir brauchen Begriffe, um unsere eigene innere Realität und Weltkarte zu schaffen, aber diese Weltkarte sieht bei jedem Menschen unterschiedlich aus. Anders ausgedrückt: Das Bewusstsein – und die Sprache, mit der wir unsere Gefühle, Gedanken und Annahmen ausdrücken – ist eine sehr persönliche und individuelle Instanz. 18 Wenn wir diese neurologische Tatsache berücksichtigen, kommunizieren wir besser, weil wir dann nicht mehr von vornherein annehmen, dass unsere Gesprächspartner alles verstehen, was wir sagen.
Die Grenzen des Alltagsbewusstseins
Die Forschung hat zahlreiche unterschiedliche Bewusstseinsebenen oder -zustände identifiziert, die jeweils von verschiedenen neuronalen Netzwerken im Gehirn gesteuert werden. 19 Diejenige Ebene, die uns am meisten betrifft, ist die des »Alltagsbewusstseins«, das sich von anderen Formen selbstreflektierender Wahrnehmung unterscheidet. 20 Das Alltagsbewusstsein besteht aus all jenen gewöhnlichen Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen, die wir in einem x-beliebigen Moment empfinden, und es bietet einen sehr begrenzten Ausschnitt der Realität. Es ist wie ein Schnappschuss, ein winziges Foto einer großartigen Aussicht, und die Information, die es enthält, ändert sich von Augenblick zu Augenblick und verändert damit auch unsere Wahrnehmung der Welt. 21
Das Alltagsbewusstsein stützt sich großenteils auf das Kurzzeit-Arbeitsgedächtnis. Wir benutzen es, um sinnvolle Sätze zu bilden und sie mitzuteilen. Aber wie im ersten Kapitel erklärt wurde, kann der Durchschnittshörer nur jeweils eine kleine Informationsmenge auf einmal verarbeiten. Wenn wir jemandem etwas bewusst mitteilen möchten, sucht das Arbeitsgedächtnis immer drei bis vier Daten-»Brocken« (chunks) aus den großen Reservoirs der gespeicherten Informationen aus. 22
Was ist ein Brocken? Es handelt sich um eine kleine Informationseinheit, die im jeweiligen Kontext sinnvoll ist. Sie stellt ein spezifisches Gefühl, einen spezifischen Gedanken oder eine spezifische Vorstellung dar, und das Kurzzeitgedächtnis kann diese Informationseinheiten nur jeweils zwanzig bis dreißig Sekunden lang festhalten, 23 bevor sie mit neuen Informationen überschrieben werden. Das ist, als schaue man sich eine weite Landschaft mit Bäumen, Felsen, Pflanzen, zwitschernden Vögeln und durch die Blätter strömendem Sonnenlicht an. Wir können nicht bewusst auf alle diese Einzelheiten achten, sondern das Gehirn muss die Informationen zusammenfassen und nennt das Ganze einen Wald. Es wählt ein Wort aus, um ein komplexes Erlebnis zu bezeichnen, wird so mit der unmittelbaren Situation fertig und vergisst es dann wieder, wenn die nächsten vier Informationsbrocken ins Arbeitsgedächtnis geladen werden.
Und genau das geschieht auch, wenn wir jemandem zuhören. Das Gehirn nimmt alle Wörter und implizierten Bedeutungen und summiert sie zu einem momentanen Gedanken. Wenn der Sprecher zu viel Information vermittelt, wählen unsere unbewussten Prozesse willkürlich Wörter aus, die im Moment relevant erscheinen.
Sie ahnen, wo das Problem liegt. Die meisten Menschen glauben, es sei am besten, dem Gesprächspartner eine ausführliche Beschreibung zu geben, weil sie sich nicht klarmachen, dass das Gegenüber sich immer nur auf drei bis vier Informationseinheiten konzentrieren kann, und auch das nur kurz.
Nehmen wir den vorigen Absatz als Beispiel. Man kann ihn in etwa zehn Sekunden vorlesen – und still lesen natürlich noch schneller. Aber ich wette, Sie könnten ihn nicht wiederholen, selbst wenn Sie ihn ein Dutzend Mal wiederholten. Warum nicht? Weil er zwischen zehn und fünfzehn Informationseinheiten enthält, weit mehr, als das Alltagsbewusstsein aufnehmen kann. Bei Tests an jüngeren und älteren Erwachsenen fanden Forscher der University of Missouri heraus, dass diese schon einen einzelnen Satz aus zehn Wörtern nur mit Schwierigkeiten genau wiedergeben konnten. 24
Wenn wir diese Begrenzung des Alltagsbewusstseins berücksichtigen, können wir lernen, besser zu kommunizieren, indem wir uns kurz fassen und dann den Gesprächspartner fragen, ob er verstanden hat, was wir
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