Die Kreatur
standen Holzschaukelstühle mit Lehnen und Sitzflächen aus Rattan, und
hängende Körbe mit Moos, aus denen Fuchsien in Kaskaden knallroter und violetter Blüten herabhingen, sorgten für eine festliche Atmosphäre.
Als die Schwestern, jede mit einem leckeren Kuchen in den Händen, die Stufen zur Veranda hinaufstiegen, fanden sie die Haustür weit geöffnet vor, da Pastor Kenny sie meistens offen ließ, wenn er zu Hause war. Er war ein äußerst geselliger Pastor mit lässigen Umgangsformen und einer Vorliebe für weiße Tennisschuhe, Khakihosen und Madrashemden, wenn er nicht gerade eine Messe las.
Durch das Fliegengitter vor der Türöffnung konnte Lulana nicht viel Nützliches erkennen. Die späte Abenddämmerung des hochsommerlichen Tages würde noch mindestens eine halbe Stunde auf sich warten lassen, doch die Sonne war bereits rötlich, und die wenigen Strahlen, die durch die Fenster drangen, bewirkten kaum mehr, als die schwarzen Schatten zu Purpur aufzuhellen. In der Küche am hinteren Ende des Hauses schimmerte Licht.
Als Evangeline die Hand ausstreckte, um auf die Klingel zu drücken, drang ein erschreckender Schrei aus dem Pfarrhaus. Es klang nach einer Seele in Not. Der Schrei wurde lauter, die Stimme bebte und verklang.
Im ersten Moment glaubte Lulana, beinah hätten sie Pastor Kenny dabei gestört, einer reumütigen Seele Trost zu spenden oder einem trauernden Mitglied seiner Gemeinde beizustehen.
Dann ertönte der gespenstische Schrei von Neuem, und durch das Fliegengitter erhaschte Lulana einen Blick auf eine klagende Gestalt, die durch den Türbogen aus dem Wohnzimmer in den Flur stürmte. Trotz der dunklen Schatten konnte sie erkennen, dass es sich bei diesem gemarterten Menschen nicht etwa um einen gepeinigten Sünder handelte, sondern um den Geistlichen persönlich.
»Pastor Kenny?«, sagte Evangeline.
Von seinem Namen angelockt, eilte der Geistliche durch den Flur auf sie zu und ruderte dabei mit den Armen, als kämpfte er gegen Mückenschwärme an.
Er öffnete ihnen nicht, sondern lugte mit der Miene eines Mannes, der den Teufel gesehen hat und ihm erst vor wenigen Momenten entflohen ist, durch das Fliegengitter.
»Ich hab’s getan, das stimmt doch?«, stieß er atemlos und gequält hervor. »Ja. Ja, ich hab’s getan. Ich habe es einzig und allein durch meine Existenz getan. Einzig und allein durch meine Existenz habe ich es getan. Ich hab’s getan. Schlicht und einfach dadurch, dass ich Pastor Kenny Laffite bin, habe ich es getan. Ich hab’s getan, ich hab’s getan.«
Der Rhythmus und die Wiederholung seiner Worte erinnerten Lulana an die Kinderbücher von Dr. Seuss, die sie schon in ihrer Kindheit als verstörend empfunden hatte. »Pastor Kenny, was fehlt Ihnen?«
»Ich bin, wer ich bin. Ihn gibt es nicht, mich gibt es. Also habe ich es getan, ich hab’s getan, ich hab’s getan«, stieß er hervor und wandte sich vom Fliegengitter ab. Er rannte durch den Flur davon und schlug gequält mit den Armen um sich.
Nachdem sie einen Moment lang nachgedacht hatte, sagte Lulana: »Schwester, ich glaube, wir werden hier gebraucht.«
Evangeline sagte: »Das bezweifle ich nicht, meine Liebe.«
Lulana öffnete das Fliegengitter, trat unaufgefordert ins Pfarrhaus ein und hielt ihrer Schwester die Tür auf.
Vom hinteren Ende des Hauses ertönte die Stimme des Geistlichen: »Was tue ich jetzt? Was tue ich jetzt? Irgendwas, irgendwas … genau das tue ich jetzt.«
So gedrungen und behäbig wie ein Schleppkahn bahnte sich Lulana ihren Weg durch den Flur, wobei ihr beängstigender Busen die Luft zerschnitt wie ein Bug die Wellen, und Evangeline folgte wie ein prächtiges hochmastiges Schiff in ihrem Kielwasser.
In der Küche stand der Geistliche vor dem Spülbecken und wusch sich inbrünstig die Hände. »Du sollst nicht, sollst nicht, sollst nicht , aber ich hab’s getan. Sollst nicht , aber ich hab’s getan. «
Lulana öffnete die Kühlschranktür und fand Platz für beide Kuchen. »Evangeline, so viel Nervosität geht auf keine Kuhhaut. Vielleicht wird sie nicht gebraucht, aber wir sollten besser warme Milch bereit stehen haben.«
»Überlass das ruhig mir, meine Liebe.«
»Danke, Schwester.«
Dampf stieg in Wolken von dem Spülbecken auf. Lulana sah, dass die Hände des Geistlichen unter dem fließenden Wasser feuerrot waren.
»Pastor Kenny, Sie verbrühen sich die Finger.«
»Allein schon dadurch, dass ich existiere, gibt es mich. Ich bin, was ich bin. Ich bin, was ich
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