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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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bringen.«
    Lulanas melassebraune Augen waren riesig und auf die golden schimmernde Pistole gerichtet. »Carson O’Connor, das ist eine Überreaktion, die Ihrer nicht würdig ist. Dieser arme …«
    »Lulana«, fiel ihr Carson mit einem Anflug von Schärfe ins Wort, »warum holen Sie nicht einen dieser Kuchen aus dem Kühlschrank und schneiden ihn für uns alle auf.«
    Laffite ließ immer noch den Kopfhängen und sagte mit geschlossenen Augen und dem Kinn auf der Brust: »Meine Programmierung bricht zusammen. Ich kann spüren, wie es passiert … eine Art Schlaganfall in Zeitlupe. Aus dem installierten Code fallen einzelne Zeilen heraus, sie fallen einfach runter,
wie eine lange Reihe von Vögelchen, die einen Stromschlag bekommen haben und von der Hochspannungsleitung purzeln.«
    Evangeline Antoine sagte: »Schwester, vielleicht wäre der Kuchen tatsächlich eine gute Idee.«
    Als Lulana, nachdem sie es sich noch einmal überlegt hatte, ihren Stuhl vom Tisch schob und aufstand, läutete Michaels Handy.
    Laffite hob den Kopf, öffnete aber nicht die Augen. Die schnellen Bewegungen seiner Augäpfel hinter den geschlossenen Lidern waren, als ob er lebhaft träumte.
    Michaels Handy läutete noch einmal, und Carson sagte: »Warte bloß nicht, bis sich die Voicemail einschaltet.«
    Während Lulana nicht etwa auf den Kühlschrank zuging, sondern sich zu ihrer Schwester begab und somit aus der Schusslinie, sagte Laffite: »Wie eigentümlich, dass das einem Alpha passieren sollte.«
    Carson hörte, wie Michael dem Anrufer die Adresse der Pfarrei nannte.
    Während seine Augen sich weiterhin rasch unter seinen Lidern bewegten, sagte Laffite: »›Denn was ich gefürchtet habe, ist über mich gekommen.‹«
    »Hiob drei, Vers fünfundzwanzig«, sagte Lulana.
    »›Da kam mich Furcht und Zittern an‹«, fuhr Laffite fort, »›und alle meine Gebeine erschraken.‹«
    »Hiob vier, Vers vierzehn«, sagte Evangeline.
    Um entweder die Veranda hinter dem Haus oder die Tür zum Flur zu erreichen, hätten die Schwestern durch die Schusslinie laufen müssen. Sie kauerten sich stattdessen im sichersten Winkel der Küche zusammen, den sie finden konnten.
    Nachdem er das Telefongespräch beendet hatte, bezog Michael seinen Posten links neben Carson, zwischen Laffite und den Schwestern, und hielt seine eigene .50 Magnum mit beiden Händen umfasst.

    »›Versammele mir das Volk‹«, sagte Laffite, »›dass sie meine Worte hören und so mich fürchten lernen alle Tage ihres Lebens auf Erden.‹«
    »Deuteronomium«, sagte Lulana.
    »Kapitel vier, Vers zehn«, fügte Evangeline hinzu.
    »Deucalion?«, murmelte Carson, um sich nach dem Anrufer zu erkundigen.
    »Ja.«
    Laffite schlug die Augen auf. »Ich habe mich euch zu erkennen gegeben. Ein weiterer Beweis dafür, dass meine Programmierung zusammenbricht. Wir müssen uns heimlich unter euch bewegen und dürfen niemals unsere Andersartigkeit oder unser Ziel zu erkennen geben.«
    »Das geht schon klar, wir sind da nicht so«, sagte Michael. »Wir nehmen es mit diesen Dingen nicht so genau. Bleiben Sie noch ein Weilchen ruhig sitzen, Pastor Kenny, sitzen Sie einfach nur da und beobachten Sie, wie die kleinen Vögelchen von der Stromleitung purzeln.«

48
    Randal sechs ist wütend auf sich, weil er Arnies Mutter umgebracht hat. »Dummkopf«, sagt er. »Du Dummkopf.«
    Er ist nicht wütend auf sie. Es ist zwecklos, auf eine Tote wütend zu sein.
    Er hatte nicht die Absicht, sie zu schlagen. Plötzlich hat er gemerkt, dass er es tut, genauso wie er dem Penner im Müllcontainer das Genick gebrochen hat.
    Im Rückblick erkennt er, dass er nicht in Gefahr geschwebt hat. Derart extreme Maßnahmen waren zu seiner Verteidigung nicht notwendig.

    Nach dem behüteten Dasein, das er in den Händen der Barmherzigkeit geführt hat, muss er in dieser größeren Welt mehr Erfahrung sammeln, damit er in der Lage ist, exakt einzuschätzen, wie ernst eine Bedrohung ist.
    Dann stellt er fest, dass Arnies Mutter nur bewusstlos ist. Das enthebt ihn der Notwendigkeit, wütend auf sich selbst zu sein.
    Er war zwar nicht einmal ganze zwei Minuten wütend auf sich, aber eine grässliche Erfahrung war es trotzdem. Wenn andere Leute wütend auf einen sind – so wie Victor es häufig war –, dann kann man sich noch weiter in sich selbst zurückziehen und ihnen auf diese Weise entkommen. Ist man dagegen selbst derjenige, der wütend auf einen ist, dann klappt es nicht, sich in sich zu kehren, denn ganz gleich, wie

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