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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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tief du dich in dich selbst zurückziehst – der Teil deines Ichs, der wütend auf dich ist, ist immer noch da.
    Die Schnittwunde an seiner Hand hat bereits aufgehört zu bluten. In zwei oder drei Stunden wird sie sich vollständig geschlossen haben.
    Die Blutspritzer auf dem Boden und den Küchengeräten stören ihn. Diese Flecken lenken von der nahezu spirituellen Atmosphäre ab, die hier herrscht. Das hier ist ein Zuhause, und die Küche ist sein Herz und sollte stets ein Gefühl von Ruhe und von Frieden ausstrahlen.
    Mit Papiertüchern und Glasreiniger aus einer Sprühflasche wischt er das Blut fort.
    Behutsam und ohne ihre Haut zu berühren, weil er es nicht mag, wie sich die Haut anderer Leute anfühlt, bindet Randal die Mutter mit Stoffstreifen, die er aus den Kleidungsstücken im Wäschekorb reißt, an den Stuhl.
    Als er gerade damit fertig geworden ist, erlangt die Mutter das Bewusstsein wieder. Sie ist ängstlich und aufgeregt und voller Fragen, Mutmaßungen und Bitten.
    Ihr schriller Tonfall und ihr rasendes Geschnatter machen
Randal nervös. Sie stellt schon die dritte Frage, bevor er die erste beantworten kann. Sie stellt zu viele Anforderungen an ihn, und all das, womit sie ihn überschüttet, übersteigt sein Fassungsvermögen.
    Statt sie wieder zu schlagen, läuft er durch den Flur ins Wohnzimmer und bleibt eine Zeit lang dort stehen. Die Dämmerung ist hereingebrochen. Es ist fast dunkel im Zimmer. Keine aufgeregt schnatternde Mutter ist in seiner Nähe. Schon nach wenigen Minuten fühlt er sich wieder besser.
    Er kehrt in die Küche zurück, und in dem Moment, in dem er dort eintritt, fängt die Mutter wieder an zu plappern.
    Als er ihr sagt, sie soll still sein, wird sie noch beredter als vorher, und ihr Flehen wird noch eindringlicher.
    Fast wünscht er, er wäre wieder unter dem Haus bei den Spinnen.
    Sie benimmt sich nicht wie eine Mutter. Mütter sind ruhig. Mütter haben Antworten auf alles. Mütter lieben einen.
    Im Allgemeinen mag Randal sechs es nicht, andere zu berühren oder von ihnen berührt zu werden. Vielleicht verhält es sich hier anders. Das hier ist eine Mutter, auch wenn sie sich im Moment nicht so benimmt, als sei sie eine.
    Er legt seine rechte Hand unter ihr Kinn und presst ihren Mund zu, während er ihr gleichzeitig mit der linken Hand die Nase zuhält.
    Im ersten Moment wehrt sie sich, doch als sie merkt, wie stark er ist, hält sie ganz still.
    Bevor die Mutter durch den Sauerstoffmangel wieder ohnmächtig wird, nimmt Randal seine Hand von ihrer Nase und erlaubt ihr zu atmen. Den Mund hält er ihr weiterhin zu.
    »Psst«, sagt er. »Ganz still. Randal mag es still. Randal erschrickt zu leicht. Lärm erschrickt Randal. Zu viel Gerede, zu viele Worte, das macht Randal Angst. Mach Randal keine Angst.«
    Als er spürt, dass sie jetzt zur Kooperation bereit ist, lässt er
sie los. Sie sagt kein Wort. Sie atmet schwer, keucht fast, aber das Reden lässt sie für den Moment bleiben.
    Randal sechs schaltet die Gasflamme auf dem Herd aus, um zu verhindern, dass die Zwiebeln in der Pfanne anbrennen. Mit diesem simplen Akt lässt er sich in einem Maß auf seine Umwelt ein wie noch nie zuvor. Er entwickelt ein ungeahntes Wahrnehmungsvermögen für Nebensächlichkeiten und ist sehr zufrieden mit sich.
    Vielleicht wird er eine Begabung fürs Kochen an sich entdecken.
    Er holt einen Esslöffel aus der Besteckschublade und die Kilopackung Erdbeerbananenmix aus dem Gefrierfach. Er setzt sich an den Küchentisch, gegenüber von Arnies Mutter, und löffelt die rosa und gelb gemaserte Leckerei aus dem Behälter.
    Besser als braunes Essen schmeckt es nicht, aber auch nicht schlechter. Eben anders und doch wunderbar.
    Er lächelt sie über den Tisch an, weil das einer dieser Augenblicke von Häuslichkeit zu sein scheint, die ein Lächeln erfordern – vielleicht sogar ein entscheidender Moment in der Entwicklung einer engen Beziehung.
    Sein Lächeln scheint sie jedoch eindeutig zu beunruhigen, vielleicht, weil sie ihm anmerkt, dass es berechnend und nicht echt ist. Mütter merken so etwas.
    »Randal wird dir jetzt einige Fragen stellen. Du wirst ihm antworten. Randal will deine zu vielen und zu lauten Fragen nicht hören. Nur Antworten. Kurze Antworten, kein Geschnatter. «
    Sie versteht ihn. Sie nickt.
    »Ich heiße Randal.« Als sie nicht darauf reagiert, sagt er: »Oh. Und wie heißt du?«
    »Vicky.«
    »Für den Moment wird Randal dich Vicky nennen. Ist es dir recht, wenn Randal dich Vicky

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