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Die Kreatur

Die Kreatur

Titel: Die Kreatur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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vorstellen.
    Wenn sie ihm eine bessere Ehefrau wurde, wenn sie mit der Zeit beim Sex keine Prügel mehr verdiente, wenn er sie eines Tages lieb gewonnen haben würde, dann, so hoffte sie, würde sie ihn vielleicht darum bitten können, dass er Christine und den anderen ebenso wie ihr Hoffnung gestattete, und er würde ihr diesen Wunsch gewähren und ihren Leuten das Leben leichter machen.
    »Ich bin des Königs Ahasveros Königin Ester«, sagte sie. Sie verglich sich mit der Pflegetochter des Mardochai. Ester hatte Ahasveros überredet, ihr Volk, die Juden, vor der Vernichtung durch Haman, einen Fürsten seines Reichs, zu bewahren.
    Erika kannte nicht die vollständige Geschichte, aber sie verließ sich darauf, dass die literarische Anspielung, eine von Tausenden in ihrem Repertoire, brauchbar war und dass sie sie dank ihrer Programmierung richtig verwendet hatte.
    Also.

    Sie musste bestrebt sein, von Victor lieb gewonnen zu werden. Um das zu erreichen, musste sie ihm stets vollendet dienen.
    Und um an dieses Ziel zu gelangen, musste sie alles über ihn wissen; die Biographie, die sie als Download von Daten direkt ins Gehirn empfangen hatte, genügte nicht.
    Unter alles fiel zwangsläufig auch der Insasse des Tanks, den Victor offenbar dort eingesperrt hatte. Ungeachtet der gewaltigen Furcht, die er in ihr ausgelöst hatte, musste sie zu dem Behälter zurückkehren, sich diesem Chaos stellen und ihm Ordnung aufzwingen.
    Am Kopfende des Sargs – der Behälter schien ihr jetzt eindeutig mehr von einem Sarg als von einem Schmuckkasten zu haben – senkte Erika ihr Gesicht wieder zu der Glasscheibe hinab, und zwar direkt über der Stelle, wo sie sich das Gesicht desjenigen vorstellte, der, in Bernsteinbraun getaucht, wartete.
    Wie schon einmal, wenn auch nicht so munter, sagte sie: »Hallo, hallo, hallo, du da drinnen.«
    Der dunkle Umriss regte sich wieder, und diesmal schienen die Schallwellen ihrer Stimme ein pulsierendes Blau durch den Behälter zu senden, wie es bereits ihr Anklopfen mit dem Finger getan hatte.
    Ihre Lippen waren fünfzehn Zentimeter über dem Glas gewesen, als sie die Worte gesagt hatte. Sie beugte sich weiter vor. Nur noch sieben Zentimeter Abstand.
    »Ich bin des Königs Ahasveros Königin Ester«, sagte sie.
    Das pulsierende Blau war jetzt intensiver als bisher, und die verschwommene Gestalt schien dichter an die Scheibe zu kommen, so dass sie die Andeutung eines Gesichts, aber keine Einzelheiten sehen konnte.
    Sie sagte noch einmal: »Ich bin des Königs Ahasveros Königin Ester.«
    Aus dem pulsierenden Blau – aus dem unsichtbaren Gesicht
in diesem Blau – drang, durch das Glas befremdlicherweise nicht gedämpft, eine Stimme, die ihr antwortete: »Du bist Erika fünf und du gehörst mir.«

52
    Nachdem die schwarze Zunge der Nacht das letzte Purpur vom westlichen Horizont geleckt hatte, wurden die Öllampen am oberen Ende der Stangen in der Westgrube angezündet.
    Wie Phantomdrachen huschten Flügel und Schwänze aus flackerndem orangerotem Licht über das Müllfeld, und die Schatten tanzten.
    Dreizehn der vierzehn Leute von Nicks Mannschaft standen in hüfthohen Stiefeln und mit glänzenden Gesichtern gemeinsam mit ihm in der Grube. Voller Vorfreude und Eifer hatten sie sich entlang des Weges aufgereiht, den die beiden Tieflader zur Grabstätte einschlagen würden.
    Neben ihm stand Gunny Alecto mit leuchtenden Augen, die den Feuerschein zurückwarfen. »Würstchen Würmer Wels Wolle Wille Wilde. Wilde! Hier kommen die toten Wilden, Nick. Hast du das Zeug parat?«
    »Alles da.«
    »Ob du das Zeug parat hast?«
    Er hob seinen Eimer, der genauso aussah wie ihrer und der aller anderen.
    Der erste der beiden Lastwagen fuhr den abschüssigen Hang der Grube hinab und donnerte über die Ödnis, über zahllose verschiedenartige Abfälle, die unter den Reifen krachten und knirschten.
    Fünf robuste Pfähle von gut zwei Metern Höhe ragten von der Ladefläche auf. An jeden dieser Pfähle war einer der toten
Angehörigen der Alten Rasse gefesselt, die durch Replikanten ersetzt worden waren. Drei waren städtische Beamte gewesen, die beiden anderen Polizeibeamte. Zwei von ihnen waren weiblich, drei männlich.
    Die Leichen waren vollständig entkleidet worden. Ihre Augen wurden mit Klebeband offen gehalten, damit sie den Eindruck erweckten, Zeugen ihrer Demütigung zu sein.
    Die Münder der Toten waren mit Stöcken aufgestemmt, weil ihre Folterknechte sich gern vorstellten, dass sie um Gnade flehten

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