Die Kreuzfahrerin
ihr uns mitnehmt, bekommst du und jeder deiner Leute einen Kreutzer vorneweg und einen, wenn wir angekommen sind.“
Bertram schaute ungläubig. 14 Kreutzer waren eine Menge Geld. Nach kurzer Überlegung räusperte er sich: „Ich werde es meinen Leuten vorschlagen, aber es bleibt dabei, dass ihr die Fahrt über für uns kocht und auch eure Heilkünste anwendet, wenn es nötig ist.“
Hilde schaute Ursula an. Sie nickte bloß stumm. „Einverstanden“, sagte Hilde knapp. „Wann wollt ihr losfahren?“
„In zwei oder drei Tagen.“
„Dann lauf los und überzeug die anderen und komm morgen, uns zu sagen, was ihr beschlossen habt. Unser Angebot ist großzügig, du weißt das.“
Bertram nickte. „Ich komme morgen wieder.“ Und nachdem er seinen Becher geleert hatte, stand er auf, verabschiedete sich und ging.
Regensburg,
6. Mai 1096
Am nächsten Tag begann Hilde gleich nach dem Aufstehen ihr Hab und Gut neu zu ordnen. Sie holte mit Ursulas Hilfe alles vom Karren runter.
„Wir müssen alles so verpacken, dass es wenig Platz einnimmt und so gut wie möglich vor dem Wasser geschützt ist“, erklärte sie und begann damit, die Tischbeine aus den Löchern der Platte zu zerren. Beim Schemel ging das genauso. Nur die Bank ließ sich nicht auseinandernehmen. „Die müssen wir wohl dalassen“, meinte Hilde und kratzte sich unter ihrem Zopf. Die Bretter und die Beine von Tisch und Schemel legten sie als erstes zurück auf den Karren. Dann räumte Hilde die Truhe aus. „Pass auf“, sagte sie zu Ursula. „Hier geben wir unsere Kleider hinein und obenauf die getrockneten Kräuter zusammen mit den Salben. In der Truhe ist alles gut geschützt.“ Ursula holte daraufhin das, was sie an Kleidung besaß, und half Hilde anschließend, zwischen den Stoffen die einzelnen Tiegel und die Säckchen mit den Kräutern zu verstauen. Dann kam Ursula eine Idee. „Hilde, wir müssen nochmal alles aus der Truhe rausnehmen“, sagte sie, und Hilde sah Ursula mehr als verwundert an. „Schau hier, die Haut, die ich als Regenschutz benutzt habe. Lass uns die Truhe damit auslegen. Wenn wir zuletzt dann das Leder übereinanderschlagen, ist alles besonders gut vor Nässe geschützt.“ Das leuchtete Hilde ein, und sie kramte die Sachen wieder aus der Truhe hervor. „Das nächste Mal wirst du mir allerdings deine Einfälle etwas früher mitteilen“, maulte sie scherzend. „Ich mag nicht alles zweimal tun. So werden wir nie fertig.“
Als sie alles wieder eingepackt hatten, setzte sich Hilde auf den Deckel der Truhe, damit Ursula die Beschläge rechts und links schließen konnte. Viel blieb nun nicht mehr zu packen übrig. Die Strohsäcke rollten sie auf, und die Essensvorräte gaben sie alle gemeinsam in einen großen Sack. Stirnrunzelnd hielt Hilde zu allerletzt das Säckchen Salz in der Hand. „Ich glaube wir müssen die Truhe noch einmal öffnen.“ Ursula lachte, und Hilde musste sich erneut mit ihrem ganzen Gewicht auf den Deckel stützen. Schließlich hoben sie auch die Truhe auf den Karren. „Ich hoffe bloß“, gab Hilde zu bedenken, „die Flussleute lassen uns den Karren mitnehmen. Wenn nicht, müssen wir uns, wenn wir den Fluss verlassen, einen neuen kaufen. Zusammen mit einem Zugtier wird uns das einiges kosten. So, hier gibt es nichts mehr zu tun. Ich gehe noch einmal in die Stadt“, schloss sie ihre Rede und verließ die Scheune. Ursula stapfte zuerst hinter ihr her, entschied sich dann aber anders und ging runter zum Fluss. Am anderen Ufer hatten sich die Reihen der Zelte schon merklich gelichtet. Alles war jetzt im Aufbruch, und auch über die Brücke wälzte sich ein nicht enden wollender Tross an Menschen und Tieren. Langsam stellte sich bei Ursula eine Art freudige Erwartung auf das ein, was vor ihnen lag. Sie wollte jetzt alles zurücklassen. Ihr bisheriges Leben und auch den Tod ihrer kleinen Tochter. Von diesem Gefühl getrieben ging sie zur Klosterkirche, um sich in dem Eck, in dem sie so oft seither gekniet hatte, an Gott zu wenden.
Die Sonne hatte ihren höchsten Stand bereits überschritten, als sie sich in die muffige Kühle des Gemäuers begab. In der Kirche war es sehr viel ruhiger als draußen. Es waren kaum Menschen da, und Ursula schritt leise zu ihrem Platz. Als sie um eine der dicken Säulen herumging, stieß sie beinahe mit einem Mönch zusammen. Sie entschuldigte sich und wollte bereits weitergehen, da kam ihr ein Gedanke. „Vater“, sprach sie den Geistlichen an. „Vater, darf ich Euch
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