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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Schuld ein neues Leben führen können? Mit diesen Gedanken verließ sie die Kirche und wartete auf Raimund. Der wollte nun aber nicht mit ihr zum Markt gehen, um Vorräte zu kaufen, sondern hatte in der Kirche einen anderen Pilger getroffen, der ihm vom Hafen und von einer großen Pferderennbahn erzählt hatte. So trennten sie sich, und Ursula machte sich alleine auf den Weg zum Markt. Sie versuchte sich zu erinnern, wie Makis sie geführt hatte, aber so wie gestern zuerst auf den Palasthügel zu steigen, hatte sie keine Lust. „Ich werde schon einen Markt finden“, dachte sie bei sich und schritt erst einmal zurück in die Richtung der großen Straße. Als sie einige Frauen bepackt mit Gemüse aus einer Gasse kommen sah, folgte sie spontan diesem Weg und fand auch wirklich einen Markt. Sie schaute sich langsam um. Zwiebeln und Wurzeln erkannte sie; verwundert blieb sie vor einem Stand stehen, an dem riesige, grüne Früchte feilgeboten wurden. Der Händler hatte eine der Früchte, die größer als der Kopf eines Mannes waren, aufgeschnitten, und das Innere leuchtete in saftigem Rot. Ursula bemerkend schnitt der Händler ein kleines Stück aus dem Roten und reichte es ihr zum Kosten. Ursula war begeistert, es war saftig, sehr saftig und gleichzeitig süß. Das Fruchtfleisch war zart mürbe, und man brauchte es fast nicht kauen, sondern nur mit der Zunge an den Gaumen pressen, und schon lief einem der Saft im Mund zusammen. Ursula erstand so eine Kugel. Sie schaute sich weiter um. Am Rande des Marktes schaute sie in eine Gasse und entdeckte etwas, das ihr sehr bekannt vorkam. Neugierig ging sie darauf zu. Die ganze Fassade eines Hauses war fast völlig bedeckt mit kopfüber hängenden Sträußen verschiedener Pflanzen. Einige glaubte Ursula zu erkennen. Staunend trat sie näher, schnupperte an einem der Gebinde. Das war Melisse und, direkt daneben, sie zerrieb einige Blättchen in ihrer Handfläche, das war eine Art Majoran. Ganz vertieft in ihre Gedanken bemerkte sie nicht die alte Frau, die aus dem Haus getreten war und ihr Tun interessiert beobachtete. In fremder Zunge rief sie die junge Frau an. Ursula erschrak zuerst, doch die Stimme der Alten hörte sich kein bisschen wütend oder bedrohlich an. Sie war hell und warm. Die alte Frau trat zu Ursula heran, ergriff ihre Hand und schnupperte ebenfalls. Sie nickte und sagte wieder etwas, das Ursula nicht verstand. Ursula zuckte mit den Schultern, zeigte dann auf die Sträuße und sagte: „Kräuter.“ Die Frau schien zu verstehen und nickte. Ursula zeigte auf sich selber und erklärte ganz langsam: „Auch ich kenne die Kräuter.“ Dann machte sie die Bewegungen des Sammelns und Abschneidens. „Ich gehe Kräutersammeln in meiner Heimat.“ Ihr kam eine Idee, und sie kramte aus ihrer Ledertasche ein Tiegelchen mit Salbe hervor. Sie reichte ihn der Frau und deutete ihr, daran zu riechen. Die Frau ergriff das Töpfchen mit ihrer knorrigen, faltigen Hand und hielt ihre Nase darüber. Es schien Ursula, als strahlten die Augen der Frau erkennend auf. Die Alte nickte und winkte Ursula ihr zu folgen. Sie ging in das Haus zurück, und als Ursula über die Schwelle trat, befand sie sich in einem Raum, der erfüllt war von vielerlei Düften und Aromen. Auch hier hingen getrocknete Pflanzen an den Wänden und von der Decke. In Regalen standen alle möglichen Behältnisse. Die alte Frau war von der Vielzahl all der Jahre, die sie zählen mochte, gebeugt und viel kleiner als Ursula, sie bewegte sich aber sicher auf ihren Beinen. Jetzt bestieg sie eine kleine Trittleiter, holte einen irdenen Topf aus dem Regal und brachte ihn zu Ursula. Nun sollte sie riechen. Und die junge Pilgerin erkannte, dass es sich um ebenso eine Salbe handeln musste wie die, die sie der Frau zu riechen gereicht hatte. Sie lächelte und nickte. Auch die alte Frau lächelte. Die unzähligen Falten der ledrig braunen Haut in ihrem Gesicht und die dunklen Augen, die Ursula so lebendig beobachteten, erweckten in der jungen Frau Erinnerungen. Die Alte hob ihren Zeigefinger. Pass auf, dachte Ursula. Aus einem Säckchen holte die Frau ein trockenes, aschfahles, kaum grünes Knäuel hervor. Sie holte eine Schale und gab aus einem Krug Wasser hinein. Dann legte sie das Knäuel in die Schale. Ruhig blieb sie stehen, und Ursula hielt ebenfalls still. Da, konnte das sein? Ursula sah genauer hin. Einen Moment lang war ihr, als habe sich an dem Knäuel etwas gerührt. Sie beobachtete genauer. Die Zeit verging, und

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