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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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und bringt keinen hierher!“
    Besser als sonst achtete Ingrid nun darauf, dass Ute und Ursula nur ganz trockenes Holz, das fast keinen Rauch machte, ins Herdfeuer gaben. „Die Menschen gehen immer dorthin, wo sie ein Feuer wissen, denn wo ein Feuer ist, wird meist auch Essen bereitet, und so wie die Fliegen zum Aas kommen Rumtreiber zu fremden Kochtöpfen.“
    So hatte der Sommer sorgenvoll begonnen, doch die viele Arbeit, die kurzen, lustvollen Treffen mit Ludger und Ursulas heimliche Zukunftspläne hatten die Gedanken an solche Bedrohungen bald verwischt. Täglich waren sie draußen auf den Feldern und Wiesen, und immer öfter fanden Ludger und Ursula zueinander. Ludger schaffte es immer wieder, neue Möglichkeiten zu finden, Ursula alleine anzutreffen. Wenn Ursula geschickt wurde, Wasser und Brot zu holen, schaffte es der Kerl, als könne er fliegen, plötzlich hinter eine Wegbiegung vor ihr zu stehen, und zog sie mit sich ins Gebüsch. Ursula sträubte sich nicht, sie hatte ständig Sehnsucht nach dem seltsamen Gefühl, das Ludger in ihr zu wecken vermochte. Es war wie die Lust auf Honig. Wenn sie im Wald einen Bienenstock entdeckt hatte und vorsichtig gefüllte Waben aus einem Baumstamm holte, dann war bereits nach dem ersten Schlecken des süßen, klebrigen, goldenen Saftes die Lust da, immer wieder in den Baum zu fassen und mehr herauszuholen. Ähnlich fühlte sich Ursula zum Zusammensein mit Ludger gezogen.
    Sie hätte eigentlich bemerken müssen, dass Ingrid immer häufiger eine Augenbraue hochzog, wenn sie und Ludger kurz hintereinander aufstanden unter dem Vorwand, etwas zu tun zu haben. Auch hätte sie merken müssen, dass sie selbst seit vielen Wochen nicht mehr geblutet hatte. Was das bedeutete, wusste sie nicht, und dass sie in den ersten Herbsttagen Schwierigkeiten hatte beim morgendlichen Aufstehen, hatte ihr als Zeichen nicht gereicht. Ein paarmal schon hatte sie sich, wenn sie morgens hinter der Scheune ihre Notdurft verrichtete, auch übergeben müssen.
    Es war Ute, die Magd, die wachen Auges die Veränderungen bei Ursula zu deuten wusste und die schließlich das Mädchen befragte und aufklärte.
    „Du bist in der Hoffnung“, hatte Ute ihr unverwandt ins Gesicht gesagt, nachdem sie Ursula ausgefragt hatte.
    Das Wort traf Ursula wie ein Schlag ins Gesicht. Sie sah all ihre Pläne und Wünsche wie einen schlecht geschichteten Holzstapel in sich zusammenbrechen.
    „Wieso? Wie kann das sein?“, stammelte sie.
    Ute schnaufte verächtlich. „Tu nicht so, du weißt, die Kuh kalbt, wenn der Bulle bei ihr war, und die Sau wirft, wenn der Eber über sie ging. Du wirst schon wissen, welcher Bulle dich bestiegen hat.“
    Ursula sah die Magd an. Wie feindselig ihr das jetzt frech grinsende Gesicht Utes erschien.
    „Du musst es dem Hausherrn sagen, bevor er selber oder Ingrid drauf kommen.“
    Danach hatte sie Ute sitzengelassen. Sie musste zu Ludger, sie musste ihm als ersten davon berichten, und sie musste mit ihm zusammen vor den Bauern treten. Aber wo war Ludger jetzt? Sonst tauchte er immer auf, wenn sie allein war, und jetzt in dieser Not war keine Spur von ihm.
    Doch es wurde alles noch viel schlimmer. Als Ursula am späten Nachmittag aus dem Gemüsegarten kam und Knollen für das Abendbrot ins Haus bringen wollte, kam Liesel schreiend von den Weiden gerannt. Das Mädchen schrie und schrie, so dass alle zusammengelaufen kamen. Es dauerte, bis Matthes etwas aus seiner Tochter herausbekam. „Fremde, Fremde“, stotterte Liesel nur und deutete mit weit aufgerissenen Augen zur Kuhweide. Der Bauer, Ludger und der Knecht liefen in die Scheune und kamen mit Dreschflegeln und Knüppeln wieder hervor. Dann rannten sie los zu den Rindern, gefolgt von Arnulf und den Frauen. Liesel und Magda blieben im Haus.
    Auf der Weide angekommen blieben alle wie vom Donner gerührt stehen. Das Bild, das sich ihnen bot, erschrak alle zutiefst. Das Gras der Weide war an einer Stelle nicht mehr grün, sondern blutrot. Überall um den riesigen roten Fleck lagen die Reste eines Rindes. Einige Fetzen Fell, Gedärme, Innereien zogen sich wie eine Spur fast quer über die Matte. Wortlos liefen sie der grausamen Fährte folgend bis hin zum zertrümmerten, abgetrennten Kopf des Tiers. Der Bauer fing an zu fluchen und zu schimpfen. Das waren keine Wölfe oder ein Bär gewesen, das war Menschenwerk. Es mussten viele gewesen sein, und sie hatten, kaum dass sie das Rind erschlagen hatten, es regelrecht zerrissen. Ohne Rücksicht auf

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