Die Kreuzzüge
Thierry von Flandern. Philipp hatte im Jahr 1175 das Kreuz genommen, er reagierte damit auf die immer häufigeren und dringlicheren Appelle der Lateiner in Outremer, einen neuen Kreuzzug ins Heilige Land zu unternehmen. Doch trotz seiner guten Absichten endete Philipps Unternehmung mit einem Fiasko. Die abschließenden Vorbereitungen für den Angriff auf [333] Ägypten waren schon in vollem Gang, als über der Frage, wem im Fall des Sieges die Rechte über die Nilregion zufallen sollten, kleinliche Streitigkeiten ausbrachen und das gesamte Projekt unter gegenseitigen Beschuldigungen zusammenbrach. Verstimmt und befremdet segelten die Byzantiner nach Konstantinopel zurück. Im September 1177 tat sich Graf Philipp mit seinen Streitkräften mit Raimund III. von Tripolis zusammen, und gemeinsam verbrachten sie den Winter mit dem Versuch, erst Hama, dann Harim einzunehmen, aber sie scheiterten beide Male. Eine echte Chance, Saladins Stellung in Ägypten zu erschüttern, womöglich gar zu überrennen, war vertan worden. Der Sultan hatte ein Verteidigungsheer aufgestellt, um der erwarteten Invasion der Christen zu begegnen, aber er konnte plötzlich feststellen, dass sich die Bedrohung verflüchtigt hatte.
KONFRONTATION
Im Spätherbst 1177 brach Saladin zu seinem ersten großen Feldzug gegen das lateinische Königreich Jerusalem seit dem Tod Nur ad-Dins auf. Trotz der Bedeutung dieser Unternehmung – gewissermaßen dem Eröffnungstusch des Sultans für seine Rolle als selbsternannter neuer Vorkämpfer des Dschihads – bleiben seine eigentlichen Motive und Ziele recht verschwommen. Sehr wahrscheinlich war die Offensive des Jahres 1177 letztlich nicht als Invasion in Palästina mit dem Ziel der Rückeroberung Jerusalems geplant gewesen, es handelte sich vielmehr um einen Überfall, der sich aus den Umständen ergab. Seine Truppen waren bereits versammelt, um einen erwarteten Angriff abzuwehren, und Saladin ergriff lediglich die Gelegenheit, eine sichtbare Bestätigung seines Einsatzes für den heiligen Krieg zu liefern; er wollte seine kriegerische Überlegenheit über die Franken unter Beweis stellen und einen Ausgleich zu deren Angriff in Nordsyrien schaffen.
Saladin brach an der Spitze von über 20 000 Reitern von Ägypten auf und errichtete bei der Grenzsiedlung al-Arish einen Vorposten. Dort ließ er die schwere Ausrüstung zurück und zog in Richtung Norden nach Palästina; um den 22. November herum kam er in Askalon an. Dort traf er auf den völlig überraschten Balduin IV. Der Großteil von dessen Streitmächten befand sich im Norden und kämpfte unter Philipp von Flandern und Raimund III.; dennoch versammelte der König in großer [334] Eile so viele Truppen wie er konnte an der Küste. Ein ostchristlicher Beobachter schrieb, dass »kaum jemand noch daran glaubte, dass der kranke, schon halbtote König noch lange leben werde, doch der nahm all seinen Mut zusammen und zog gegen Saladin in den Kampf«. Mit Balduin zogen sein Seneschall Rainald von Châtillon und Joscelin von Courtenay sowie ein Heer von ungefähr 600 Rittern und ungefähr dreibis viermal so viel Fußsoldaten, außerdem noch der Bischof von Bethlehem, der das Wahre Kreuz mit sich führte. Dieses Heer versuchte, die muslimische Vorhut anzugreifen. Da aber die Franken hoffnungslos in der Minderzahl waren, zogen sie sich schnell hinter die Mauern von Askalon zurück, und Saladin konnte ungehindert plündernd landeinwärts Richtung Judäa vorrücken. 12
Die Schlacht am Mont Gisard
Nun machte der Sultan einen verhängnisvollen Fehler. Er war offenbar überzeugt, dass die Franken sich aus Askalon nicht herauswagen würden, und erlaubte seinen Truppen, auszuschwärmen und lateinische Siedlungen wie Ramla und Lydda zu überfallen. Dabei hielt er es nicht für nötig, ein wirkungsvolles Spionagenetz auszuwerfen, um die Aktionen Balduins zu überwachen. Der junge König jedoch, unterstützt und ermutigt von Rainald von Châtillon, hatte ganz und gar nicht die Absicht, tatenlos herumzusitzen und zuzuschauen, wie sein Reich verwüstet wurde. Er tat sich mit 80 Tempelrittern zusammen, die unter ihrem Meister Odo von St. Amand in Gaza stationiert waren, und fasste den tapferen, ja geradezu tollkühnen Entschluss, Saladin anzugreifen. Wilhelm von Tyrus notiert, dass »[der König] glaubte, es sei klüger, sich auf das unsichere Schicksal einer Schlacht gegen den Feind einzulassen, als hinzunehmen, dass sein Volk unter Raub, Feuer und Massakern zu leiden hatte«
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