Die Kreuzzüge
Belagerungstechnik, und er erwies sich als bemerkenswert begabter Krieger und Stratege.
Richard musste auch mit den schwierigen politischen Verhältnissen seiner Zeit zurechtkommen. In den ersten Jahren seines Wirkens war er in einen komplexen Machtkampf mit ständig sich verschiebenden Frontlinien innerhalb der angevinischen Dynastie verstrickt – Heinrich II. verteidigte geschickt seine eigene Position gegen die wachsende Macht seiner Söhne und die ehrgeizigen Pläne seiner Frau, während sich [408] Löwenherz und seine Brüder genauso oft untereinander um das angevinische Erbe stritten, wie sie sich gegen ihren Vater zusammenschlossen. Bereits 1173 war Richard zusammen mit seinen Brüdern in eine ausgewachsene Rebellion gegen Heinrich II. verwickelt. 1183 änderte sich seine Stellung, als im Verlauf einer weiteren Rebellion sein Bruder, Heinrich der Jüngere, starb und Richard damit als Heinrichs II. ältester Sohn zum designierten Erben aufstieg – womit die zerstörerische Familienfehde durchaus nicht beendet war, im Gegenteil: Nun war Richard noch mehr das Ziel von Angriffen und Intrigen, weil Heinrich die Herrschaft über Aquitanien wieder an sich reißen und die Verteilung des angevinischen Gebiets zugunsten seines jüngsten Sohnes Johann neu ordnen wollte. Richard ging aus all diesen verworrenen Machenschaften zwar nicht als Sieger hervor, doch im Großen und Ganzen konnte er sich gegen Heinrich II. behaupten, den vielleicht verschlagensten und geschicktesten Politiker des 12. Jahrhunderts im Abendland.
Als Angehöriger des Hauses Anjou war Richard außerdem Teil der fortgesetzten Rivalität mit der Dynastie der Kapetinger und hatte häufige Kontroversen mit Ludwig VII. und dann, nach 1180, mit dessen Erben Philipp II. August. Auch der zögerliche Fortgang seiner Verbindung mit Alice von Frankreich war ein Problem, denn Heinrich benutzte die angestrebte Heirat als diplomatisches Druckmittel; sie hatte bislang noch nicht stattgefunden. Dieses Konfrontationsmuster schien sich im Juni 1187 fortzusetzen, als Philipp II. August bei Berry in angevinisches Territorium eindrang, womit er Heinrich II. und Richard zwang, sich zu verbünden und gegen ihn vorzurücken. Eine große Schlacht schien unausweichlich zu sein, doch in letzter Minute zeichnete sich eine friedliche Lösung ab, und es wurde ein zweijähriger Waffenstillstand ausgehandelt. Als dieses Abkommen jedoch unterzeichnet war, wechselte Richard plötzlich die Fronten und ritt mit dem Kapetinger – in einer öffentlichen Demonstration freundschaftlicher Beziehungen – nach Paris zurück. Das war ein geschickter diplomatischer Schachzug, den selbst der bereits betagte Heinrich II. nicht vorhergesehen hatte, und die damit vermittelte Botschaft war eindeutig: Sollte der angevinische Monarch versuchen, Richard von Aquitanien sein Erbe streitig zu machen, dann war dieser durchaus bereit, mit seiner Familie zu brechen und sich dem kapetingischen Feind anzuschließen. Heinrich sah sich ausmanövriert und unternahm endlich Schritte, um sein Verhältnis zu Richard wieder einzurenken; [409] dessen territoriale Rechte wurden sämtlich bestätigt. Der alte König hatte seinen Sohn in den Kreis der Anjou zurückgeholt, und für den Moment war die Situation zwar frostig, aber einigermaßen stabil Ein ernsterer Konflikt zwischen Heinrich, Richard und Philipp II. August warf jedoch schon seine Schatten voraus.
Richard Löwenherz und der Kreuzzug
Kaum eine Woche später, am 4. Juli 1187, besiegte Saladin die Franken Jerusalems bei Hattin. Im November desselben Jahres nahm Richard in Tours das Kreuz, offenbar ohne sich zuvor mit seinem Vater beraten zu haben. Unter den gegebenen Umständen war dies ein wahrhaft außergewöhnlicher Schritt. Im Jahr 1187 war Richard tief in die Machtpolitik Westeuropas verwickelt und hatte klar erkennen lassen, dass er nach dem Tod Heinrichs II. die feste Absicht hatte, das Herzogtum Aquitanien zu behalten und die Herrschaft über das angevinische Reich anzutreten. Dann schloss er sich dem Kreuzzug an, offenbar ohne an die Folgen zu denken – ein Schritt, der seine eigenen Zukunftsperspektiven wie auch die seiner Dynastie ins Wanken brachte. König Heinrich war außer sich über diese Entscheidung, die er als unüberlegten, eigenmächtigen Akt des Wahnsinns ansah. Auch Philipp August war bestürzt über die Aussicht, dass ein potentiell so entscheidender Verbündeter sich ins Heilige Land auf den Weg machte. Dass Löwenherz sich für
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