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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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die lateinische Bevölkerung aus ihrer Lethargie und begann umgehend mit der Verstärkung der schon zuvor höchst wehrhaften Befestigungsanlagen der Stadt. Durch Saladins Entscheidung, seine Energie im September 1187 ganz auf die Belagerung Jerusalems zu konzentrieren, hatte Konrad wertvolle Zeit gewonnen. Er nutzte sie, indem er Tyros auf Saladins Angriff vorbereitete und dazu auch die Ritterorden sowie pisanische und genuesische Flotten zu Hilfe rief. 2
    Mehr als sechs Wochen lang, bis in den tiefen Winter hinein, belagerte Saladin Tyros vom Land her und vom Meer aus; er hoffte, Konrad mit Gewalt zur Übergabe der Stadt zu bewegen. Die Muslime stellten 14 Katapulte auf, und »Tag und Nacht [ließ der Sultan damit] unablässig Steine auf die Stadt schießen«. Bald erhielt er außerdem Verstärkung von prominenten Mitgliedern seiner Familie: Es gesellten sich zu ihm sein Bruder und wichtigster Verbündeter al-Adil; außerdem al-Afdal, der älteste Sohn des Sultans und designierte Nachfolger im ajjubidischen Reich; und schließlich al-Zahir, einer der jüngeren Söhne Saladins, der später über Aleppo herrschen sollte und vor Tyros seine ersten Kampferfahrungen sammelte. Gleichzeitig wurde die ajjubidische Flotte von Ägypten herbeordert; sie sollte den Hafen von Tyros blockieren. Doch trotz aller Anstrengungen des Sultans war kaum ein Fortschritt zu verzeichnen. Um den 30. Dezember erkämpften sich die Franken einen bedeutenden Sieg: Bei einem Überfall auf die Flotte des Sultans erbeuteten sie elf Schiffe. Der Rückschlag entmutigte die Ajjubiden sichtlich. Ein Tempelritter schrieb später in einem Bericht nach Europa, Saladin sei [426] von dieser Niederlage so erschüttert gewesen, dass er »seinem Pferd die Ohren und den Schwanz abschnitt und darauf durch sein gesamtes Heer ritt, so dass alle ihn sehen konnten«. Die Kampfmoral seiner erschöpften Armee sank immer tiefer, und daher beschloss der Sultan, alle Kräfte auf eine letzte Offensive zu konzentrieren. Am 1. Januar 1188 versuchte er einen mörderischen Frontalangriff über den Damm, doch auch dieser wurde abgewehrt. Saladin gab sich für diesmal geschlagen, er brach die Belagerung ab, und Konrad behielt die Herrschaft über die Stadt.
    Saladin ist für diesen Rückzug oft kritisiert worden. Sein irakischer Zeitgenosse Ibn al-Athir liefert eine matte Würdigung der Leistung des Sultans und bemerkt: »So war die Gewohnheit Saladins: Wenn eine Stadt seinen Angriffen standhielt, dann wurde er der Sache überdrüssig, er brach die Belagerung ab und zog von dannen [. . .]. Keiner trägt die Schuld für das [was in Tyros geschah] außer Saladin, denn er war es, der die Franken scharenweise nach Tyros schickte.« Bis zu einem gewissen Grad kann man die Entscheidung des Sultans mit den Schwächen erklären, die seinen militärischen Führungsstil kennzeichneten. Ende 1187, nach monatelangen Feldzügen, bei denen die ajjubidischen Ressourcen bis zur Erschöpfung aufgebraucht wurden und die Gefolgstreue einiger Verbündeter schon nicht mehr sicher war, fiel es Saladin ganz offensichtlich schwer, die Soldaten bei der Truppe zu halten. Er wusste genau, wie entscheidend die Schlagkraft seines Heeres davon abhing, dass er die Männer regelmäßig bezahlen und belohnen konnte; außerdem wollte er sich mit der Belagerung von Tyros nicht zu lange aufhalten und womöglich eine Meuterei riskieren; daher beschloss er, sich leichter zu erreichenden Zielen zuzuwenden. Tatsächlich wurde jedoch an der schmerzlichen Demütigung vor Tyros einiges deutlich. Als der Sultan im September 1187 beschloss, dem religiös aufgeladenen politischen Ziel Jerusalem oberste Priorität einzuräumen, folgte er damit einer ganz bestimmten Logik. Als er dann im Januar 1188 unverrichteter Dinge von Tyros wieder abzog, wurden seine Grenzen deutlich sichtbar. Saladin hatte zwar ungeheuer viel an Mitteln und Energie in sein Vorhaben investiert, den Islam zu vereinigen und einen heiligen Krieg zu führen, doch letztlich besaß er weder die Willenskraft noch die Ressourcen, die Eroberung der Küste Palästinas zu Ende zu führen. Zum ersten Mal seit Hattin hatte es ganz den Anschein, als könnten die übermächtigen Ajjubiden mit ihrem Ziel scheitern, die Franken ins Meer zurückzutreiben. 3
    [427] Kleinvieh
    Saladin legte für den Rest des Winters in Akkon eine Ruhepause ein. Da ihm die Möglichkeit eines Gegenangriffs der Christen Sorgen bereitete, erwog er, die Stadt zu schleifen, um zu verhindern,

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