Die Kreuzzüge
dass sie in die Hand des Feindes fiel, beschloss dann aber, dieses »Tor zur Küstenregion« unangetastet zu lassen; zur Verteidigung Akkons ließ er Qaragush aus Ägypten kommen. Ab dem Frühjahr 1188 zog Saladin dann durch Syrien und Palästina, er suchte sich leicht angreifbare lateinische Siedlungen, Vorposten und Festungen aus und bekam dadurch recht viele relativ unaufwendige Eroberungen zusammen. Dann zog er durch Damaskus und das Biqa-Tal und griff im Sommer das Fürstentum Antiochia und die nördlichen Gebiete der Grafschaft Tripolis mehrfach an. Die große syrische Hafenstadt Latakia wurde eingenommen, und ein Stück weiter südlich arrangierte der muslimische Kadi (geistliche Richter) der Stadt Jabala, die in christlicher Hand war, die Übergabe an Saladin. Außerdem nahm der Sultan einige Burgen wie etwa Baghras und Trapesac in den Amanus-Bergen nördlich von Antiochia ein sowie Saone und Bourzey am Südrand der Ansariyah-Berge.
In den nördlichen Kreuzfahrerstaaten gelangen ihm beträchtliche Gebietsgewinne, allerdings ließ er sich nicht auf irgendwelche längeren Belagerungen ein. Krak des Chevaliers, Marqab und Safita, die imposanten Burgen der Johanniter und der Tempelritter, ließ Saladin links liegen, und er unternahm auch keine ernsthafte Anstrengung, die lateinischen Hauptstädte Tripolis und Antiochia zu bedrohen – Saladin ließ sich sogar, wenn auch zu harschen Bedingungen, auf einen achtmonatigen Waffenstillstand mit Antiochia ein, bevor er nach Damaskus zurückkehrte. Dann begann er eine Winterkampagne in Galiläa und erzwang die Übergabe der letzten Festungen, die noch in fränkischer Hand waren: die Templerburg Safad und die Johanniterburg Belvoir. Ungefähr zur selben Zeit nahmen ajjubidische Truppen Kerak in Transjordanien ein, und sechs Monate später kapitulierte auch das nahegelegene Montreal. Das gemeinsame Merkmal dieser Erfolge war die isolierte Lage der eroberten Orte: Diese mächtigen Kreuzfahrerburgen standen allesamt mitten in nunmehr muslimischem Gebiet, und es bestand für sie keinerlei Aussicht, eine längere Belagerung durchhalten zu können, daher ergaben sie sich, und Saladin konnte seine Herrschaft über Palästina weiter festigen. [428] Bei seinem Kriegszug durch die Levante war es ihm gelungen, seine Kriegsmaschinerie über das ganze Jahr 1188 pausenlos in Schwung zu halten, allerdings um den Preis, dass Antiochia und Tripolis völlig ungeschoren davonkamen.
Im Lauf der Eroberungsaktivitäten dieses Jahres stieß Baha ad-Din ibn Shaddad zum inneren Kreis der Berater Saladins. Er stammte aus Mosul und war ein religiöser Gelehrter mit einer profunden Ausbildung; er hatte in Bagdad studiert. Baha ad-Din war im Jahr 1186 als Unterhändler für die Zangiden aufgetreten, als er nach der schweren Krankheit des Sultans eine Vereinbarung mit Izz ad-Din von Mosul getroffen hatte. 1188 nutzte Baha ad-Din die Lage nach den jüngsten muslimischen Eroberungen im Heiligen Land, um eine Pilgerreise nach Mekka und dann nach Jerusalem zu unternehmen. Damals lud Saladin, offenbar beeindruckt von der Frömmigkeit und Weisheit des Mannes aus Mosul, Baha ad-Din ein, sich seinem Gefolge anzuschließen. Bei der ersten Begegnung überreichte Baha ad-Din dem Sultan eine Abschrift seines gerade abgeschlossenen Werkes Die Tugenden des Dschihad ; er wurde daraufhin zum Kadi des Heeres ernannt. Schnell stieg er zu einem der wichtigsten Berater Saladins auf und begleitete ihn in den folgenden Jahren fast überallhin. Später verfasste er eine detaillierte Biographie über seinen Dienstherrn, die heute als entscheidende historische Quelle vor allem für die Zeit nach 1188 dient. 4
Ablenkungen
Obwohl Saladin geplant hatte, mit Beginn der neuen Kampfsaison Tripolis und Antiochia wieder und diesmal entschlossener anzugreifen, kehrte er im Jahr 1189 nicht in den Norden zurück. Stattdessen zeigte er eine für ihn bislang völlig untypische entscheidungsträge Tatenlosigkeit. Anscheinend war er zermürbt von der Last des Regierens und den nahezu ununterbrochenen Kriegszügen. Gleichzeitig nahm mit jedem Monat, der verstrich, die Aussicht auf einen Gegenschlag des christlichen Abendlands bedrohlichere Dimensionen an. Saladin wusste zweifellos sehr gut, dass der dritte Kreuzzug immer näher rückte – in einem später im selben Jahr abgefassten Brief bewies sein Berater Imad ed-Din unglaublich detaillierte Kenntnisse vom Umfang, von der Organisation und den Zielen des Kreuzfahrerheers. Der Sultan
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