Die Kreuzzüge
aus der Stadt; einer beging den Fehler, in Saladins Lager Zuflucht zu suchen, und wurde prompt in Ketten gelegt. In Wahrheit jedoch brachte ihre Unternehmung nur zum Ausdruck, was bereits allen bewusst gewesen sein muss: Die Niederlage Akkons stand unmittelbar bevor. 11
Der endgültige Durchbruch wurde dann in dem Abschnitt der nördlichen Verteidigungsanlagen erzielt, der unter dem Kommando Richards angegriffen wurde. Der kranke König, noch zu schwach, um aufrecht zu gehen, wurde, bedeckt »mit einer großen Seidendecke«, auf einer königlichen Sänfte zur Front getragen. Er ließ sich hinter einem Schutzzaun absetzen und schoss glücklose muslimische Kämpfer mit seiner Armbrust ab; darunter befand sich auch ein Krieger, der törichterweise Aubery Clements’ Rüstung angelegt hatte. Am 5. Juli setzten Richards Sappeure eine weitere Mine in Brand, was den Nordturm zum Einsturz brachte und mit ihm einen Teil der anschließenden Mauern. Wie am »Verfluchten Turm«, so waren die Kreuzfahrer nun auch hier mit einem Riss voller Trümmer konfrontiert. Es war schwierig, über dieses holprige Terrain einen Sturmangriff zu führen. Richards Lösung bewies seine [475] Genialität ebenso wie sein Wissen um die grundlegenden Mechanismen des Krieges. Er wusste, so ein Zeitgenosse trocken, dass »jeder vom Geruch des Geldes angezogen wird«, und bot jedem Mann, der es schaffte, einen Stein von der zertrümmerten Mauer wegzutragen, zwei Goldmünzen. Es handelte sich dabei um eine nahezu selbstmörderische Tätigkeit: Man musste Pfeilen und Armbrustbolzen ausweichen und sich dann an der Mauer einer wütenden Nahkampfverteidigung der Muslime erwehren. Es meldeten sich trotzdem viele freiwillig, vor allem als Richard den Lohn erst auf drei, dann auf vier Goldmünzen erhöhte. Die Garnison gab ihr Bestes; trotzdem ging Richards listige Rechnung im Lauf der nächsten fünf Tage auf: Es hatte zwar beträchtliche menschliche und finanzielle Opfer gekostet, doch am 11. Juli öffnete sich in der Mauer eine große Lücke. An anderen Stellen der Front wurden die Katapulte der Kreuzfahrer wieder in Betrieb genommen; der Druck auf die Stadt wurde derartig verschärft, dass einige verzweifelte Muslime es vorzogen, von den Stadtmauern in den Tod zu springen. 12
Verhandlungen
Obwohl die erbitterten Kämpfe noch weitergingen, begannen die Befehlshaber der Garnison Akkons nun, da die Niederlage offensichtlich unmittelbar bevorstand und durch nichts mehr abgewendet werden konnte, die Kapitulation zu erwägen. Die Angaben zu den genauen Details und zur Chronologie der Kapitulation sind widersprüchlich. Es ist nicht auszuschließen, dass al-Mashtub und Qaragush bereits am 4. Juli Verhandlungsangebote machten; es wäre dann unangemessen, Richard im Vergleich mit Philipp August das größere Verdienst zuzuschreiben, wenn es um die Frage geht, wer die Belagerung Akkons zu einem erfolgreichen Ende brachte. Es war die kombinierte Schlagkraft der beiden christlichen Heere, die Akkon am Ende zur Unterwerfung zwang. Fest steht, dass die Garnison an der Grenze ihres physischen und psychischen Durchhaltevermögens angekommen war. Ein Augenzeuge aus der Reihe der Kreuzfahrer beschrieb die Notlage der Muslime:
Sie fürchteten sich vor dem Wunder, mit dem sie konfrontiert waren: Wie sich die ganze Welt versammelt hatte, um sie zu vernichten; sie sahen ihre Mauern zusammengebrochen, durchstoßen [476] und zerstört; sie sahen ihre Angehörigen verletzt, getötet, in Stücke gehauen. In der Stadt waren noch 6000 Mann [. . .], aber das war nicht genug.
Gleichzeitig bemerkte ein Muslim im Lager Saladins in aller Deutlichkeit, dass die Garnison Akkons in diesen Julitagen »dem Tod ins Angesicht sah«. Die Muslime, die befürchten mussten, bis auf den letzten Mann niedergemetzelt zu werden, wenn die Stadt erstürmt wurde, entschieden sich fürs Überleben und für die Kapitulation. Um den 6. Juli herum gestatteten Richard und Philipp August muslimischen Gesandten unter der Zusicherung freien Geleits, die Stadt zu verlassen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Übergabebedingungen mit Saladin zu besprechen, doch es kam keine Einigung zustande. Der Sultan hoffte noch immer, dass die totale Niederlage abgewendet werden könnte. Man arbeitete einen Plan aus, die Garnison nachts im Schutz der Dunkelheit aus der Stadt zu holen, doch wurde dieses Vorhaben den Christen von einem abtrünnigen Mamluk, einem Überläufer aus dem ajjubidischen Heer, verraten. Die
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