Die Kreuzzüge
Kreuzfahrer setzten daraufhin zusätzliche Wachen ein, und obwohl die Männer Saladins die gesamte Nacht in Waffen verbrachten, war es nicht möglich, die fränkischen Linien zu durchbrechen. Gleichzeitig trafen im Lager der Muslime weitere Verstärkungstruppen aus Syrien ein, wodurch die Hoffnung auf einen letzten Gegenangriff neue Nahrung bekam.
Im Kreuzfahrerlager aber konnten Richard und Philipp August völlig sicher sein, dass sie nun eindeutig die Oberhand gewonnen hatten. In den Tagen danach verfolgten sie eine beinharte Verhandlungstaktik und lehnten jegliches Angebot kurzerhand ab, das ihren üppigen Forderungen nicht gerecht wurde. Die Rolle Saladins in diesen Verhandlungen ist nicht ganz klar. Muslimische Augenzeugen geben sich alle Mühe, ihn aus dem ganzen Vorgang herauszuhalten, um seine Aura der Unbesiegbarkeit nicht antasten zu müssen. Es hieß sogar, der Sultan habe, als er einen Entwurf der endgültigen Bedingungen zu Gesicht bekommen habe, »sein großes Missfallen zum Ausdruck gebracht«. Saladin selbst habe beabsichtigt, jegliche Übergabebemühungen zu verwerfen, was jedoch durch die übereilte Kapitulation Akkons vereitelt worden sei. Christliche Zeitgenossen bezeugen im Gegensatz dazu, dass Saladin »der Übergabe der Stadt zustimmte, als sie nicht länger verteidigt werden [477] konnte«, und dass er seine Befehlshaber angewiesen habe, »bei Friedensgesprächen die bestmöglichen Bedingungen auszuhandeln«. Es ist völlig unwahrscheinlich, dass die Kreuzfahrerkönige sich auf Friedensgespräche eingelassen hätten, wenn sie nicht ganz sicher gewesen wären, dass der Sultan einer abschließenden Einigung zustimmen würde. 13
Kapitulation
Auf jeden Fall wurde am 12. Juli eine Vereinbarung getroffen, die die Belagerung von Akkon beendete. Die Stadt und alles, was sich in ihr befand, musste den Franken übergeben werden, die muslimischen Bewohner wurden am Leben gelassen. Die Soldaten der Garnison wurden als Geiseln genommen, damit die weiteren Entschädigungsbedingungen eingehalten wurden: Zahlung von 200 000 Gold-Dinaren; Rückgabe der bei Hattin geraubten Reliquie des Wahren Kreuzes und die Freilassung von 1500 fränkischen Gefangenen »einfacher Herkunft« sowie 100 – 200 namhaften, ranghohen Personen. Zugeständnisse in diesen Dimensionen stellten unzweideutig klar, welch einen überwältigenden Sieg die lateinische Christenheit errungen hatte.
Nach zwei Jahren erbitterter Konfrontationen endete der Kampf um Akkon nicht in einer barbarischen, bluttriefenden Plünderung, sondern in plötzlichem Frieden. Nachdem man sich auf die Übergabebedingungen geeinigt hatte, wurde ein Ausrufer durch die Reihen der Kreuzfahrer geschickt, der die sofortige Einstellung sämtlicher Feindseligkeiten verkündete. Es erging der Befehl, dass »keiner es wagen dürfe, irgendetwas zu tun oder zu sagen, womit er einen der Türken verletzen oder provozieren könnte; es darf auch nicht mehr auf die Mauern geschossen werden oder auf Türken, die sich auf den Stadtmauern bewegen«. Eine seltsame Stille senkte sich über den Schauplatz, als »die Christen an jenem Tag mit sehr neugierigen Augen die türkischen Leute oben auf den Mauern herumlaufen sahen«. Schließlich wurden die Stadttore aufgestoßen, und die Garnison kam herausmarschiert, um sich zu ergeben. Der Anblick überraschte viele Kreuzfahrer: Die gesichtslosen Feinde der vergangenen Monate waren kein barbarischer Abschaum, sie entpuppten sich vielmehr als »Männer von bewundernswerter Tapferkeit und außerordentlichem Heldenmut [. . .] ungebeugt von den widrigen Umständen, mit entschlossenen Mienen«. Es gab auch Franken, die nicht so viel Gleichmut [478] aufbringen konnten; sie beklagten die Schändung der »zerstörten und verunstalteten« Kirchen Akkons durch diesen »verfluchten Menschenschlag«, doch im Großen und Ganzen vollzog sich die Übergabe ohne gewalttätige Zwischenfälle. 14
Wie ihre muslimischen Feinde, so hatten auch die Soldaten des dritten Kreuzzugs bei Akkon enorme Ausdauer bewiesen. In sengender Hitze und beißender Kälte, hungernd, von Seuchen heimgesucht und unablässig kämpfend hatten sie hartnäckig die Belagerung aufrechterhalten. Tausende, wenn nicht gar Zehntausende starben im Verlauf dieser Unternehmung – eine genaue Schätzung der Gesamtzahl der Toten ist nicht möglich. In den Reihen des Adels, die man leichter überblicken kann, waren die Verluste so groß wie nie zuvor: es starben ein Patriarch, sechs
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