Die Kreuzzüge
Papst erhoben war, begann Friedrich, seine eigenen Interessen zu vertreten. Sein oberstes Ziel war die Kaiserwürde, die nur mit päpstlicher Beteiligung zu erlangen war; gleichzeitig war er nicht bereit, auf die Kontrolle über Sizilien zu verzichten. Um den Papst von den zweifelhaften Vorteilen dieses Planes zu überzeugen, benutzte er sein Kreuzzugsgelübde als Druckmittel und erklärte, dass er sich dem Kreuzzug erst dann anschließen werde, wenn er zum Kaiser gesalbt war. Das führte zu langwierigen, heiklen Verhandlungen, und die Perspektive von Friedrichs Teilnahme hing teils verheißungsvoll, teils lähmend über dem fünften Kreuzzug.
DER FÜNFTE KREUZZUG
Friedrich II. und Papst Honorius befanden sich noch mitten in ihren Verhandlungen, als die ersten Kontingente von Kreuzfahrertruppen aus Österreich und Ungarn in Palästina eintrafen. Im Jahr 1217 unternahmen die Lateiner drei ergebnislose Ausfälle in ajjubidisches Territorium, doch waren diese frühen Täuschungsmanöver lediglich Vorläufer für die Hauptaktion. Als im Sommer 1217 Kreuzfahrer aus Friesland und aus deutschen Landen eintrafen, unter ihnen der Prediger und Gelehrte Oliver von Paderborn, waren alle Voraussetzungen für einen großen Angriff gegeben. Johann von Brienne, der jetzt den Titel eines Königs von Jerusalem für sich beanspruchte, die Ritterorden, die fränkischen Barone aus der Levante und Jakob von Vitry, der Bischof von Akkon, alle schlossen sich der Unternehmung an. Im Jahr 1218 waren die Teilnehmer des fünften Kreuzzugs bereit, ihr Augenmerk auf ein neues Ziel zu richten.
Das erklärte Ziel des Kreuzzugs war nach wie vor die Zurückeroberung [592] Jerusalems aus den Händen des Ajjubiden-Sultans al-Adil, doch beschlossen die Franken, sich zunächst nicht gegen das muslimische Palästina in Marsch zu setzen. Stattdessen, so Jakob von Vitry, »planten wir, nach Ägypten zu ziehen; es ist ein fruchtbares Land und das reichste im Orient, von dort beziehen die Sarazenen die Macht und die Mittel, die sie befähigten, unser Land zu besetzen, und nachdem wir uns jenes Landes bemächtigt haben, können wir leicht das gesamte Königreich Jerusalem wieder einnehmen«. Diese Strategie erinnert an die Pläne Richards I. Löwenherz aus den frühen 1190er-Jahren, und nach Angaben einiger Anführer des vierten Kreuzzugs hatte es auch damals – bevor dann der Kreuzzug nach Konstantinopel umgeleitet worden war – die Absicht gegeben, die Nilregion anzugreifen. Wahrscheinlich war ein Angriff auf Ägypten von Anfang an Bestandteil der Kreuzzugspläne Innozenz’ III. 2
Das erste Ziel der Christen war die Stadt Damiette, ungefähr 150 Kilometer nördlich von Kairo – ein Vorposten, den Oliver von Paderborn als »den Schlüssel zu ganz Ägypten« bezeichnete. Die Kreuzfahrer erreichten im Mai 1218 zu Schiff die Küste Nordafrikas und landeten an der Westseite eines großen Nilarms, wo dieser ins Mittelmeer mündete. Die wehrhaft befestigte Stadt Damiette lag ein kurzes Stück landeinwärts, zwischen dem Ostufer des Nils und einem großen Binnengewässer, dem Mansallah-See. Nach Olivers Beschreibung war die Stadt durch eine dreifache Festungsmauer geschützt; hinter der ersten Mauer befand sich ein breiter, tiefer Ringgraben, und die zweite Mauer war durch einen Kreis von 28 Türmen verstärkt.
Nachdem Johann von Brienne zum Befehlshaber gewählt worden war, schlugen die Kreuzfahrer ihr Lager am Westufer, gegenüber der Stadt, auf. Gleichzeitig brach al-Adils Sohn al-Kamil, der Emir von Ägypten, von Kairo aus in Richtung Norden auf und stellte seine Truppen als Bewachung für Damiette an der Ostseite des Nils auf. Die erste Aufgabe der Franken bestand darin, freien Zugang zum Fluss zu gewinnen. Ihr Weg war blockiert durch eine stabile Kette, die zwischen der Stadt und einer mitten im Nil gelegenen befestigten Insel, dem sogenannten Turm der Kette, gespannt war.
Diese Kette machte es Schiffen unmöglich, stromaufwärts zu segeln (der Bereich des Nils zwischen Turm und Westufer war stark versandet, also unpassierbar). Im Verlauf des Sommers unternahmen die Kreuzfahrer [594] mehrere fruchtlose Versuche, diesen Außenposten einzunehmen, wobei sie Feuerschiffe und Bombardements einsetzten. Dann konstruierte der erfindungsreiche Oliver von Paderborn einen genialen Belagerungs-»turm« aus zwei Schiffen, die mit Zugbrücken durch ein Flaschenzugsystem gelenkt werden konnten – er beschrieb die Konstruktion als »eine Vorrichtung aus Holz; nie
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