Die Kreuzzüge
beide Gegner ein hohes Risiko ein. Qutuz und Baibars erwiesen sich als fähige, tapfere Befehlshaber, sie konnten zwei massive Angriffe abwehren, und in einem entscheidenden Moment flohen die Muslime aus Homs, die am linken Flügel der Mongolen aufgestellt waren, vom Schlachtfeld. Das war der Umschwung zugunsten der Mamluken, es gelang ihnen, die Mongolen zu umzingeln und Kitbuqa zu erschlagen. An einem der epochalen Wendepunkte der Geschichte wurde die scheinbar nicht zu bremsende Flut der Mongolen durch die neuen muslimischen Herren des Islams aufgehalten.
Aber es war nur ein Arm des riesigen mongolischen Imperiums vernichtet worden, Vergeltungsmaßnahmen waren also durchaus nicht ausgeschlossen – der erzürnte Hülegü konnte zwar nicht sofort in den Vorderen Orient zurückkehren, doch er reagierte auf die Nachricht von der mongolischen Niederlage mit der sofortigen Hinrichtung an-Nasirs. Für den Aufstieg des mamlukischen Sultanats jedoch erwies sich der Sieg von Ain Dschalut als entscheidend. Unmittelbar nach der Schlacht sicherte sich Qutuz die Herrschaft über Damaskus und Aleppo, indem er zwei seiner Verbündeten als Statthalter einsetzte. Baibars’ ehrgeizige Erwartungen wurden dadurch enttäuscht, denn Qutuz brach ein Versprechen, mit dem er Baibars die Herrschaft über Aleppo zugesichert hatte (wahrscheinlich in der verständlichen Annahme, dass es töricht wäre, einen Rivalen im Kampf um die Macht so weit entfernt von Ägypten einzusetzen). Gemeinsam begaben sich der Sultan und sein verstimmter General auf die triumphale Rückreise nach Ägypten. 4
Um den 22. Oktober 1260 durchquerten Qutuz und seine Emire die ägyptische Wüste auf ihrem Weg nach Kairo, als der Sultan eine Pause einlegen ließ, um einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen – der Hasenjagd. Baibars und eine kleine Gruppe von Mamluken erklärten sich bereit, ihn auf der Jagd zu begleiten. Als sie dann aber das Lager hinter sich gelassen hatten, brachten sie Qutuz um. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Darstellungen des Anschlags; am wahrscheinlichsten ist, dass Baibars den Sultan um einen Gefallen bat (wahrscheinlich, ein bestimmtes Sklavenmädchen als Geschenk zu erhalten), und als Qutuz ihm das zusagte, ging Baibars auf ihn zu, um ihm die Hand zu küssen. Dann ergriff Baibars beide Arme des Sultans, um zu verhindern, dass er nach einer Waffe griff, und ein anderer Emir versetzte ihm mit seinem [665] Schwert einen Hieb in den Nacken. Nach diesem ersten Angriff stürzten auch die übrigen Verschwörer herbei. Unter einem Hagel von Schwerthieben starb der Sultan.
Baibars scheint der Kopf der Verschwörung gewesen zu sein, aber noch war seine Stellung nicht gesichert. Nach der Rückkehr ins Lager wurde im Zelt des Sultans eine Versammlung sämtlicher führender Mamluken-Emire einberufen. Sie alle waren verbunden durch gemeinsame Wurzeln in den Turkstämmen, daher herrschte unter diesen Elite-Mamluken ein starkes Gefühl von Gleichheit – es wurde erwartet, dass jeder neue Anführer durch Wahl aus ihren Reihen hervorgehen sollte. Baibars brachte ein kaum zu widerlegendes Argument in eigener Sache vor: Als Mörder des Sultans habe er sich das Recht verdient, nach der Macht zu greifen. Er versüßte seine Forderung mit dem Versprechen auf Belohnung und Schutz für seine Anhänger. Diese Mittel – Mord und Überredung – verhalfen Baibars zum Amt des neuen Mamluken-Sultans. Es war nun seine Aufgabe, die Muslime des Vorderen Orients gegen die Mongolen und gegen die Lateiner zu führen. 5
BAIBARS UND DAS MAMLUKENSULTANAT
Im Herbst 1260 hatte Baibars offenkundig erkannt, wie gefährdet seine Stellung als Sultan war. Rasch ergriff er die erforderlichen Maßnahmen, um seine Autorität in Kairo zu sichern: Er besetzte die große Zitadelle, den Sitz der Macht, den Saladin hatte erbauen lassen, und bedachte einen weiten Kreis von Emiren mit Ämtern und Wohlstand. Außerdem setzte er die überlebenden Mamluken der Bahrijja als seine persönlichen Leibwächter ein. Ihre alten Regimentsgebäude am Nil wurden wieder aufgebaut und den zuverlässigsten Emiren des Sultans unterstellt, darunter auch Qalawun.
Zunächst und vor allem wollte der neue Sultan seine eigene Herrschaft legitimieren und die Macht der Mamluken in ganz Ägypten festigen. Andererseits war er auch ein politischer und strategischer Visionär, der die neue Ordnung in der Levante überschauen und sich ihr anpassen konnte. In den vorausgegangenen Jahrzehnten hatten sich
Weitere Kostenlose Bücher