Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
her zu sein, dass man sie wie die Tochter eines Herzogs behandelt hatte – und dabei war Roban erst seit vier Tagen tot.
»Ich erinnere mich gut an Euch«, log sie. »Ich freue mich, Euch wiederzusehen, auch wenn ich wünschte, die Umstände wären andere. Seid Ihr meinem Bruder auf der Straße begegnet?«
»Wir trafen uns auf dem Platz der Büßer, am vereinbarten Ort«, erklärte Nolan. »Manos Eltern sind ebenfalls verschwunden. Und Caels auch.«
Die Nachricht ließ Eryne für einen Moment erstarren. Was hatte das zu bedeuten? Wie viele Menschen wurden noch von der Grauen Legion verfolgt? Und aus welchem Grund? Warum waren ausgerechnet Reyans und Lanas Freunde von den Legionären entführt worden und keiner ihrer zahlreichen anderen Bekannten, unter denen sich viele Maz und Edelleute befanden?
»Ich muss mich setzen«, sagte sie mit zittriger Stimme.
Der Junge, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, brachte ihr einen Stuhl, während Amanon Keb, der sich immer noch auf dem Bett lümmelte, finstere Blicke zuwarf. Eryne war keine dieser feinen Damen, die eine Ohnmacht vortäuschten, nur um sich in den Vordergrund zu spielen. Sie hatte in den vergangenen Tagen schon zweimal das Bewusstsein verloren, und auch diesmal war ihr ganz schwindelig. Aber das war kein Wunder. Ihr Bruder hatte von einer großangelegten Verschwörung gesprochen, und die Ereignisse schienen ihm Recht zu geben. Das Unheil, das sie bedrohte, würde nicht einfach aus der Welt verschwinden. Sie hatten einen mächtigen Feind, und sie wussten weder, wer er war, noch, warum er es auf sie abgesehen hatte.
Noch nie hatte sich Eryne so schutzlos gefühlt. Noch nie hatte sie sich so sehr nach einer starken Schulter gesehnt. Einem Vater, einem Bruder, einem Freund. Nach irgendwem.
»Wir müssen reden«, sagte Nolan ernst. »Jeder muss den anderen erzählen, was er weiß.«
»Richtig. Aber erst, wenn wir unter uns sind«, erwiderte Amanon und starrte Kebree unverhohlen an. »He, du. Du sagtest doch, unsere Sorgen seien dir egal. Warum gehst du nicht eine Runde spazieren? Unser Gespräch wird dich ohnehin nicht interessieren.«
»Alles, was mir hilft, Lana so schnell wie möglich zu finden, interessiert mich«, antwortete der Wallatte barsch.
»Mano, er hat uns das Leben gerettet«, warf Nolan ein.
»Das halte ich ihm ja auch zugute. Aber auf keinen Fall werden wir unsere Familiengeheimnisse vor ihm ausbreiten!«
»Er bleibt hier«, sagte Eryne mit fester Stimme.
Die vier Männer starrten sie verdutzt an. Aber sie war sich selten einer Sache so sicher gewesen.
»Er bleibt hier«, wiederholte sie in dem Ton, mit dem sie sonst lästige Verehrer abzuservieren pflegte. »Keb gehört zu uns. Und damit basta.«
Nachdem Nolan drei Tage in Kebs Gesellschaft verbracht hatte, bereute er nicht, ihm vertraut zu haben. Deshalb gab er seiner Schwester insgeheim Recht, auch wenn er dem Streit, der in der Luft lag, am liebsten aus dem Weg gegangen wäre. Amanon schien einen gewichtigen Grund zu haben, Keb von ihrem Gespräch auszuschließen. Wenn die Geschwister darauf bestanden, dass er blieb, konnte es gut sein, dass Amanon aus dem Zimmer stürmte und sich allein auf die Suche nach seinen Eltern machte. Das hätte ihnen gerade noch gefehlt!
»Ihr beliebt zu scherzen«, sagte Amanon aufgebracht zu Eryne. »Wenn Ihr wüsstet, was seine Eltern Euren und meinen angetan haben …«
»Na und?«, fiel sie ihm ins Wort. »Die Schatten der Vergangenheit kümmern mich nicht! Kebree ist als Freund zu uns gekommen, und er hat seine Loyalität mehr als einmal unter Beweis gestellt. Verzeiht, Amanon, ich will Euch nicht verärgern. Aber genauso gut könnte ich Euch misstrauen! Schließlich kenne ich Euch kaum!«
Mit so etwas hatte Amanon nicht gerechnet. Er starrte sie mit offenem Mund an, dann stieß er einen schweren Seufzer aus und trat ans Fenster. Cael folgte ihm mit dem Blick. Keb lag immer noch auf dem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und beobachtete sie belustigt, als ginge ihn das alles nichts an.
»Keb kennt unsere Geschichte«, sagte Nolan. »Was haben wir vor ihm zu verbergen?«
Amanon drehte sich zu ihm um und sah ihm eine Weile in die Augen, ohne auf die Frage einzugehen. Doch Nolan verstand ihn auch so. Der Kaulaner hatte ihnen etwas mitzuteilen. Wenn er das Geheimnis so verbissen hütete, musste es äußerst bedeutsam sein. Verheimlichte nicht auch er seiner eigenen Schwester etwas Wichtiges? Vielleicht hielt jeder von ihnen ein
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