Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
Stimme. »Keb, es ist zu spät – Sombres Schergen sind schon hierher unterwegs! Du begehst denselben Fehler wie dein Vater!«, schrie sie.
Keb riss die Tür auf und blieb auf der Schwelle stehen. Seine Hände zitterten. Sie hatte es zum ersten Mal ausgesprochen. Zum allerersten Mal.
»Nein, es ist nicht zu spät«, widersprach er und wandte sich endgültig ab. »Tu, was du für richtig hältst. Ich kann und will so nicht leben.«
Als er die Tür hinter sich schloss, glaubte er, einen erstickten Schluchzer zu hören. Doch das konnte nicht sein. Eine Kriegerkönigin weinte genauso wenig wie ein stolzer Prinz.
Mit feuchten Augen und zugeschnürter Kehle tastete Chebree nach dem Amulett in ihrer Tasche und betrachtete es lange. Dann ließ sie sich auf dem Thron im großen Saal ihrer Residenz in Goran nieder. Ihr Leben hatte jeden Sinn verloren. Wie konnte die Liebe zu ihrem Sohn zu einem solchen Zerwürfnis führen? Warum musste ihr Wunsch, ihr einziges Kind zu beschützen, seine Zuneigung zu ihr zerstören?
Auf diese Fragen wusste sie keine Antwort. Seit sie dem verfluchten Hexer begegnet war, gab es nur Leid und Unglück in ihrem Leben. Sie konnte noch so viel Reue zeigen – nichts würde ihre Fehler ungeschehen machen. Keb hatte recht: Sie musste auf ihre innere Stimme hören. Sie hatte keine andere Wahl, als zu Ende zu bringen, was sie begonnen hatte.
Ihre Hand zitterte, als sie den Dara-Stein auf den Tisch legte. Noch strichen ihre Finger über das Kleinod aus dem Jal, dessen Oberfläche weich und rau zugleich war. Seit jener Nacht, in der ihre Welt auf den Kopf gestellt worden war, hatte sie sich nie mehr von ihm getrennt, es war geradezu ein Teil ihrer selbst geworden. Kein einziges Mal hatte sie den Stein abgelegt, nicht einen Augenblick lang. Doch jetzt zog sie ihre Hand zurück, und ein Schauer durchlief sie. Damit war sie dem Dämon schutzlos ausgeliefert.
Um es möglichst schnell hinter sich zu bringen, schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf das Bild des jungen Mannes mit den nachtschwarzen Augen. Sie fühlte sich in die Zeit vor zwanzig Jahren zurückversetzt, als sie Sombres Hohepriesterin gewesen war und Zeremonien zur Anbetung des Dämons erfunden hatte. Nur hatte sie damals nicht geahnt, dass die Gebete tatsächlich einen Unsterblichen erreichten. ›Sombre, höre mich‹, rief sie ihn in Gedanken. ›Sprich‹, befahl der Dämon.
Sie erbebte und öffnete die Augen. Seine Stimme hatte so unvermittelt und deutlich in ihren Ohren geklungen, dass sie ihn vor sich glaubte. Doch der Saal war leer. ›Ich …‹, begann sie.
›Ich weiß«, unterbrach sie Sombre. ›Deine Gedanken haben es mir verraten. Also hat Zui'a versagt … Aber die Flüchtigen sind nun doch gefasst. Das freut mich. Du hast mich nicht enttäuscht.«
›Ich kann sie nicht selbst töten«, rief ihm die Königin voller Anspannung in Erinnerung. ›Wenn einer von ihnen der Erzfeind ist …‹
›Bald ist alles vorbei. Deine Männer haben meine Diener verständigt, wie vereinbart. Erwarte ihre Ankunft. Sie kümmern sich um alles.«
Bei dieser Ankündigung begann Chebree, die das gespenstische Gespräch bereits an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht hatte, am ganzen Leib zu zittern. ›Aber dann wird auch mein Leben in Gefahr sein! Muss ich wirklich hierbleiben? Kann ich Euch nicht auf andere Weise dienen?«
Der Dämon schwieg so lange, dass ihr Leben schon verwirkt schien. ›Wie du wünschst«, sagte er schließlich. ›Aber du hast nicht mehr viel Zeit. Meine Kreatur ist schon auf dem Weg.«
Chebree nickte, auch wenn sie nicht wusste, ob Sombre sie sehen konnte. Am liebsten hätte sie sofort ihr Amulett gepackt und wäre aus Goran geflohen. Doch der Dämon hatte in ihren Gedanken gelesen. Eine Frage musste sie unbedingt noch stellen.
›Mein Herr, was habt Ihr mit meinem Sohn vor?«
Auch diesmal blieb eine Antwort aus. War das ein grausames Spiel, an dem sich Sombre ergötzte, oder hatte er seinen Geist bereits vor ihr verschlossen? Mit pochendem Herzen wartete sie noch eine Dezille, bevor sie fieberhaft nach dem Dara-Stein griff und sich von ihrem Thron erhob. In diesem Augenblick klopfte es an der Tür zum Gang, doch es war nicht wie erhofft ihr Sohn, sondern der Anführer der Wachen.
»Majestät … Der Prinz hat die Schlüssel zu den Verliesen verlangt«, sagte der Mann verlegen. »Ich dachte, das solltet Ihr wissen.«
Chebree nickte beiläufig, während sie ihre Lowa packte und sich den Eisenmantel
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