Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
Horizont zusammenballten, die Entscheidung ab, doch die Gefährten hielten vorsorglich Abstand zu den anderen Gästen, die samt und sonders wirkten, als wären sie soeben aus den Kerkern des Königreichs entlassen worden. Die Herberge schien ein beliebter Treffpunkt für alles Mögliche Gesindel zu sein, und nur Keb störte es nicht, in derartiger Gesellschaft ein paar Becher zu leeren. Amanon hingegen behauptete, angesichts der Umstände lieber auf ihre Pferde und Wagen aufpassen zu wollen, und schlug sein Nachtlager im Stall auf.
Als er sich auf dem Heuboden umsah, bereute er seine Entscheidung nicht. Im Vergleich zu dem Speisesaal, wo sie zu Abend gegessen hatten, herrschte im Stall eine wohltuende Stille. Dass der Regen auf das Schieferdach trommelte, störte Amanon wenig, im Gegenteil, er fand das Geräusch geradezu beruhigend. Dieser kurze Moment des Alleinseins erinnerte ihn an seine Reisen durch die Unteren Königreiche, als er noch als Übersetzer unterwegs gewesen war, anstatt verzweifelt zu versuchen, seine Haut zu retten. Wenn er daran zurückdachte, kam ihm sein damaliges Leben beinahe unwirklich vor.
Der Wirt hatte nicht gelogen, als er ihm den Stall angepriesen hatte. Viele Reisende zogen es vor, in der Nähe ihrer Pferde zu schlafen, wahrscheinlich aus Misstrauen gegenüber den Saufbolden in der Schankstube. Deshalb war der Wirt auf die findige Idee verfallen, ein richtiges kleines Zimmer im Heuboden drei Schritte über den Boxen der Pferde einzurichten. Natürlich ließ er sich diese Unterkunft genauso bezahlen wie die anderen Betten, aber wenigstens standen Amanon dafür ein paar Annehmlichkeiten zur Verfügung: eine Matratze, Decken, eine Laterne und sogar ein kleiner Holzofen. Hier würde er eine ruhige, erholsame Nacht verbringen können, sobald er sich an den Stallgeruch gewöhnt hatte.
Er legte gerade einige Scheite in den Ofen, als plötzlich die Tür aufging und ein Schwall kalter, feuchter Luft hereinkam. Als er sich über den Rand des Heubodens beugte, erkannte er Eryne, die gerade die Tür hinter sich zuzog. Trotz des Mantels, den sie sich über die Schultern geworfen hatte, war sie völlig durchnässt. Amanons Magen zog sich schmerzlich zusammen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er beunruhigt. »Wo sind die anderen?«
Eryne sah sich einen Augenblick suchend um, bevor sie ihn oben auf dem Heuboden entdeckte. Sie ging zur Leiter und blickte mit ernster Miene zu ihm hoch.
»Allen geht es gut«, versicherte sie. »Ich würde gern mit Euch sprechen.«
Amanon wollte sie schon zu sich hochwinken, da kam ihm der Gedanke, dass Eryne womöglich nicht gern auf Leitern herumkletterte, und so stieg er stattdessen zu ihr hinunter. Er hoffte inständig, dass sie über das Schicksal ihrer Eltern, die Entsinnung oder die Pläne der Erben reden wollte, doch als er ihr in die Augen sah, wusste er, worum es ging.
»Und wo ist Keb?«, fragte er, ohne nachzudenken.
Verlegen biss er sich auf die Lippe. Zum Glück hatte er weder angriffslustig noch vorwurfsvoll geklungen! Eryne sah ihm dennoch forschend in die Augen, bevor sie antwortete. »Zu viel billiger Wein«, sagte sie achselzuckend. »Er schläft schon halb auf seiner Bank. Die anderen sind zu Bett gegangen.«
»Das solltet Ihr auch tun«, erwiderte Amanon. »An einem solchen Ort könnte Euch jemand belästigen.«
Sie zog ein säuerliches Gesicht und stürzte Amanon damit nur noch mehr in Verwirrung. Noch nie hatte er sich so sehr zu jemandem hingezogen gefühlt – schon bei ihrer ersten Begegnung war er ihr auf Gedeih und Verderb verfallen. Trotz ihrer Launen, ihres manchmal etwas oberflächlichen Wesens und ihrer Starrköpfigkeit erschien sie ihm als eine Art Lichtgestalt, und dieser Eindruck war noch verstörender, seit er wusste, dass sie mit den Göttern des Jal’dara verwandt war …
»Ich hätte Euch für mutiger gehalten«, sagte sie unumwunden. »Ich bin gerade erst gekommen, und schon schickt Ihr mich wieder fort!«
»Was Ihr mir sagen wollt, hat sicher Zeit bis morgen«, entgegnete Amanon. »Außerdem nützt es nichts, viele Worte zu verlieren. Ihr seid mir keine Rechenschaft schuldig, und ich habe nicht vor, Euch mit Fragen zu behelligen. Mehr muss dazu nicht gesagt werden.«
»Wie ich die Sache sehe, interessiert Euch also überhaupt nicht?«, fuhr Eryne wütend auf. »Glaubt Ihr etwa, ich hätte mich durch Wind und Wetter gekämpft, nur um von Euch ins Bett geschickt zu werden? Ich wollte Euch sagen, wie sehr mich Euer
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