Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen

Titel: Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
Vom Netzwerk:
Straße und der Hufschlag von Kebs oder Amanons Pferd lenkten sie zu sehr ab, und da sie ohnehin nicht sehr geduldig war, klagte sie schon bald über Kopfschmerzen und gab die Übungen auf.
    So blieb Zejabel nichts anderes übrig, als ihr zu beschreiben, was sie im Idealfall wahrgenommen hätte: ein Wirrwarr aus Bildern, Gefühlen und Erinnerungen, die dem Geist anderer Reisender auf der Straße ebenso wie den Köpfen der Bewohner weit entfernter Städte entstammen konnten.
    »Im Schlaf habe ich so etwas schon erlebt«, gab Eryne zu. »Als ich klein war, kam das sogar recht häufig vor. Und vor ein paar Tagen hat es wieder angefangen. Ich dachte, ich hätte einfach nur wirres Zeug geträumt.«
    »Das waren keine Träume«, entgegnete Zejabel. »Ihr seid in den Zustand der Entsinnung hinübergeglitten, ohne Euch dessen bewusst zu sein.«
    »Aber wie soll ich das jemals gegen Sombre verwenden? Ich meine, wenn … wenn … Inwiefern würde das dem Erzfeind helfen?«
    »Mit der Zeit werdet Ihr lernen, die Bilder und Stimmen, die Ihr wahrnehmt, zu ordnen, wichtige Auskünfte herauszugreifen und dadurch Antworten auf viele Fragen zu finden. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Ihr sogar in der Lage sein werdet, Eure Eltern aufzuspüren, wo auch immer sie sich befinden. Ihr müsst nur aus allen anderen Stimmen ihre Gedanken heraushören.«
    Ein besseres Argument hätte sie nicht finden können, um Eryne zu einem weiteren Versuch zu bewegen, doch auch diesmal kam nichts dabei heraus.
    Nolan verfolgte die Unterhaltung mit einer Mischung aus Hoffnung und Zweifel: Gewiss hatte seine Schwester einige unerklärliche Eingebungen gehabt, aber dass ihr so etwas nun häufiger passieren sollte, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
    Nachdem Zejabel ihnen alles erzählt hatte, was sie über die Entsinnung wusste, beschrieb sie ihnen weitere Fähigkeiten Zuias. Beispielsweise konnte die Dämonin ihre Opfer mittels Gedankenkraft töten – eine grausame magische Gabe, die Zejabel am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. Außerdem sprach sie über große Entfernungen zu ihren Hohepriestern, den Judikaturen. Dies schien nur wenigen Unsterblichen vergönnt zu sein, denn es gab kaum verlässliche Berichte über Menschen, denen ein Gott Worte eingegeben hatte.
    Zejabel zählte noch weitere übernatürliche Kräfte auf, was sich allerdings meist auf eine Schilderung der körperlichen und seelischen Qualen beschränkte, die die Strafende ihren Opfern zufügte. Am bemerkenswertesten fand Nolan den Umstand, dass Zuia den Körper wechselte, sobald ein Menschenleben verstrichen war. Eine Weile unterhielten sie sich angeregt über die verschiedenen Erscheinungsformen der Götter, denn jeder Unsterbliche schien anderen Gesetzen unterworfen zu sein. Usul beispielsweise hatte keine bestimmte körperliche Gestalt, sondern erschien mal als dieses, mal als jenes Meerestier. Eurydis trat den Überlieferungen nach für gewöhnlich als zwölf- oder dreizehnjähriges Mädchen auf. Und Sombre weilte offenbar als gutaussehender junger Mann unter den Menschen, konnte sich aber auch in ein furchterregendes Ungeheuer verwandeln oder gar einen mörderischen Avatar ans andere Ende der Welt schicken.
    Zejabel brannte darauf, herauszufinden, wozu Eryne als Göttin künftig imstande sein würde. Doch dazu fehlte ihnen jeder Hinweis. Alles Mögliche schien denkbar, und Zuias Arsenal an Todesstrafen war keine besonders gute Vergleichsgrundlage. Bislang hatte Eryne nichts vollbracht, was nicht auch alle anderen Götter konnten: Sie hatte fremde Gedanken vernommen und den Weg zu einer der magischen Pforten gefunden. Aber Zejabel zweifelte nicht daran, dass ihre anderen Gaben bald zum Vorschein kommen würden. Sie musste nur Geduld haben und Eryne aufmerksam beobachten.
    Denn in einem Punkt war sie sicher: Eryne stand erst ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Sie war den Kindern des Jal noch nicht ebenbürtig, und deswegen schwebte sie auf dieser Reise nicht weniger in Gefahr als sie alle. Zejabel war so klug, diesen Gedanken für sich zu behalten, doch die Sorge um ihren Schützling stand ihr ins Gesicht geschrieben.
    Als das Gespräch schließlich verstummte, kam Nolan eine andere Göttin in den Sinn: Eurydis. Wenn seine Schwester tatsächlich den Rang einer Unsterblichen erreichte oder es ihr zumindest gelang, den Zustand der Entsinnung gezielt anzuwenden, dann wäre sie auch in der Lage, mit einer der mächtigsten Gottheiten in Verbindung zu treten und sie

Weitere Kostenlose Bücher