Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
meinte Nolan. »Schließlich wissen wir bisher fast nichts über diese Pforten. Vielleicht beherrschten die Etheker eine besondere Form der Magie, mit der sie sich von jedem beliebigen Ort aus ins Jal begeben konnten.«
»Das ist an den Haaren herbeigezogen, auch wenn dein Schädel kahlgeschoren ist«, sagte Keb abfällig.
»Überhaupt nicht. Es liegt doch auf der Hand, dass unsere Eltern nicht von gewöhnlichen Sterblichen entführt worden sind, von der Dunklen Bruderschaft etwa. Sie sind spurlos verschwunden, und das innerhalb weniger Augenblicke. Und wenn man bedenkt, was wir mittlerweile über die Götter wissen, ist meine Vermutung gar nicht so abwegig.«
Für eine Weile trat Schweigen ein, bis Amanon einen tiefen Seufzer ausstieß und damit alle Blicke auf sich zog.
»Und genau deshalb müssen wir mehr über die Etheker herausfinden.«
»Du meinst, auf der Insel Zuia?«, fragte Nolan.
Eryne hatte ebenfalls auf Anhieb begriffen, was Amanon sagen wollte. In den letzten Tagen hatte er immer wieder hoffnungsvoll von der Bibliothek im Lus’an gesprochen. Bisher hatten alle eine solche Expedition abgelehnt, doch nun wirkte Nolan plötzlich unschlüssig.
»Seid Ihr von Sinnen?«, rief Eryne aus. »Zuia und die Züu sind noch viel schlimmer als Usul und seine Schlangen. Warum sollten wir uns direkt in die Höhle der Löwin begeben?«
Ihr fiel ein, dass ihre Worte Zejabel verletzt haben könnten und sie warf ihr einen entschuldigenden Blick zu, doch die einstige Kahati schien ihre Bemerkung nicht gehört zu haben. Gedankenverloren starrte sie an die Decke.
»Wir haben keine andere Wahl«, erklärte Amanon. »Wir wissen nicht einmal, ob unsere Eltern im Dara oder im Karu sind, geschweige denn, ob sie noch leben. Wenn wir ihnen helfen wollen, müssen wir zu ihnen, aber wie? Reexyyl wird uns die Pforte von Ji nie wieder öffnen. Und die Pforte von Sol ist zu weit entfernt, es würde mehrere Dekaden dauern, sie zu erreichen. So viel Zeit haben wir nicht.«
»Außerdem wird der Lindwurm, der sie bewacht, bestimmt niemanden durchlassen«, warf Bowbaq ein. »Beim letzten Mal haben wir ungeheures Glück gehabt.«
»Und weitere Pforten kennen wir nicht«, fuhr Amanon fort, »auch wenn wir wissen, dass es welche gibt. Die Schriften der Etheker könnten uns verraten, wo sie stehen, und vielleicht sogar, wie wir ihre Wächter überlisten können. Mit etwas Glück erfahren wir sogar, wie wir Sombre bekämpfen können. Es ist einen Versuch wert.«
»Das sagtest du auch, als du uns überredet hast, zu Usuls Insel zu fahren«, murrte Keb. »Und dort haben wir nicht viel Neues rausgekriegt.«
»Ich … bin … noch nicht fertig«, sagte Cael mit kaum hörbarer Stimme.
Eryne drehte sich schuldbewusst zu ihm um. Amanons Vorschlag hatte sie so sehr aus der Fassung gebracht, dass sie darüber den Jungen fast vergessen hätte. Er musste die ganze Zeit auf eine Gelegenheit gewartet haben, sich wieder in das Gespräch einzuschalten.
»Usul hat mir … noch zwei weitere Dinge prophezeit«, verkündete er mit etwas kräftigerer Stimme. »Zum einen sagte er, einer von uns sei der Erzfeind.«
»Aber meintest du nicht, du könntest dich nicht erinnern?«, wunderte sich Niss.
»Ich … ich kämpfte schon gegen das Ertrinken, als er den Namen des Erzfeinds nannte«, rechtfertigte sich Cael. »Jedenfalls glaube ich, dass er ihn nannte. Ich bekam keine Luft mehr, und die Antwort war … kompliziert. Aber es ist einer von uns. So viel ist sicher.«
Mehr denn je fühlte sich Eryne in den Mühlen des Schicksals gefangen. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass Cael die Wahrheit sagte. Was auch geschehen würde, alles würde auf diesen einen entscheidenden Kampf gegen Sombre hinauslaufen. Diese Bürde würde ihnen niemand abnehmen können.
»Wir hatten genug Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen«, bemerkte Nolan lakonisch. »Ich finde, das ist eine gute Nachricht. Wäre keiner von uns der Erzfeind, wären wir verloren. Und unsere Eltern auch.«
»Nur schade, dass wir immer noch nicht wissen, wer von uns der Glückliche ist«, brummte Keb. »Oder
die
Glückliche.«
»Und wie lautet die andere Prophezeiung?«, fragte Amanon.
Cael musterte seine Gefährten mit ernster Miene, bevor er antwortete. »Usul behauptet, dass … einer von uns die anderen verraten wird«, murmelte er schließlich.
Die Ankündigung löste ebenso großes Entsetzen aus wie die erste Offenbarung. Eryne konnte nicht glauben, dass etwas so Schreckliches
Weitere Kostenlose Bücher