Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
denen sich die absonderlichsten Menschen drängten.
Zumal sie nichts dagegen einzuwenden hatte, etwas Zeit allein mit Cael zu verbringen. Vielleicht konnte sie ihn ja dazu bewegen, sich ihr endlich anzuvertrauen.
Galle brannte in Amanons Magen, aber er weigerte sich, diesem Gefühl Beachtung zu schenken, was es eigentlich nur noch schlimmer machte. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, die Wut und Eifersucht, die sich seit Beginn ihrer Reise in ihm angestaut hatten, endlich einmal herauszulassen. Vielleicht hätte er alle Vernunft in den Wind schlagen und Eryne seine Liebe offenbaren sollen, seine Angst vor dem Scheitern und die Verwirrung, in die ihn ihre Schwangerschaft stürzte.
Stattdessen hatte er zugesehen, wie seine Geliebte an Kebs Arm davon spaziert war, nachdem er sie ermahnt hatte, vorsichtig zu sein und so schnell wie möglich zurückzukehren. Mehr war ihm nicht über die Lippen gekommen.
Er verfluchte seine Zurückhaltung, auch wenn er wusste, dass es so besser war. Zumindest besser für die Erben. Es war in der Tat sinnvoller, wenn er seine Zeit darauf verwandte, an der Übersetzung der Manuskripte zu arbeiten, statt die anderen bei ihrer Suche nach der Pforte zu begleiten.
Also hatte er Niss und Cael sich selbst überlassen und war in das Zimmer der Männer hinaufgegangen, um sich abermals den Büchern zu widmen. Kurz darauf war ihm Bowbaq gefolgt, der nach dem reichhaltigen Essen müde geworden war und nun friedlich und stumm in seinem Bett schlummerte. Fast wäre es Amanon lieber gewesen, wenn er wie üblich laut geschnarcht hätte, denn dann hätte er wenigstens eine Ausrede für seine Konzentrationsschwierigkeiten gehabt.
Obendrein war er die Übersetzungsarbeit allmählich leid. Die wenigen Hinweise, die er den Büchern bisher entnommen hatte, reichten bei weitem nicht aus, um das Geheimnis des Jal zu entschlüsseln. Nach der ersten Freude über die Entdeckung der Passagen, in denen die Bestattungsrituale der Etheker geschildert wurden, begann Amanon nun zu verzweifeln, weil er keine weiteren Anspielungen auf das Jal fand. Nichts, was ihnen von Nutzen sein könnte …
Mit einem Seufzer klappte er den Band zu, in dem er gelesen hatte, und legte ihn auf den Stapel der bereits durchgesehenen Manuskripte. Bisher hatte er die Lesefibel, drei Abhandlungen über Landwirtschaft und Handwerk, zwei Geschichtschroniken, in denen die Kämpfe zwischen rivalisierenden ethekischen Stämmen geschildert wurden, und eine Gedichtsammlung in der Hand gehabt. Mit den Gedichten hatte er sich in den letzten Tagen ausführlich beschäftigt. Aber auch in diesem Büchlein hatte er nichts Hilfreiches gefunden. In Ermangelung einer besseren Idee schlug er Corenns Tagebuch auf, in das sie das Gedicht von Romerij übertragen hatte, das ebenfalls auf die Etheker zurückging. Es war ihr in der Bibliothek von Romin in die Hände gefallen. Doch trotz allem, was die Erben mittlerweile herausgefunden hatten, blieb ihm zumindest die letzte Strophe weiterhin ein Rätsel.
Weder gut noch böse ist ein Kind
Arglos sind Menschen wie Götter
Mensch ist das Wesen von Anbeginn
Götter entspringen der Menschen Sinn
Sterblich, wem der Leib Leben gewährt
Ewig, wer aus dem Geiste sich nährt
Glasklare Wasser der Gärten von Dara
Schwarzer Morast der Höhlen von Kam
Gelobter Tag, an dem die Götter die Stimmen vernehmen
Die Pforten geöffnet, die Wächter in Ketten
Das Unrecht verbannt, die Tugend gekrönt
Wenn die Höchsten endlich ihre Fesseln sprengen.
In der letzten Strophe schien es um das Zeitalter von Ys zu gehen, doch selbst dieses Wissen half Amanon nicht weiter.
»Die Pforten geöffnet …«
Nichts lieber als das! Doch dazu mussten sie erst einmal eine intakte Pforte finden, deren Wächter nicht wie der Lindwurm aus dem Land so blindwütig auf jeden losging, der sich ihr näherte.
Ohne Begeisterung oder sonderliche Zuversicht griff Amanon nach dem nächsten Buch von dem Stapel, der sich vor ihm türmte.
Nachdem er die ersten beiden Seiten übersetzt hatte, straffte er die Schultern und vergaß alles um sich herum.
Endlich war er auf etwas Brauchbares gestoßen.
Cael folgte Niss in das Zimmer der Frauen, ohne so recht zu wissen, warum. Natürlich fielen ihm ein paar Gründe ein, wenn er darüber nachdachte: Er wollte Amanon nicht bei der Arbeit stören, im Gastraum der Herberge würde er vermutlich irgendwann ungebetene Blicke auf sich ziehen, und nicht zuletzt fühlte er sich in Niss’ Gegenwart wohl, trotz des
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