Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
beklemmenden Gefühls, dass ihr Schicksal und das seine auf unheilvolle Art miteinander verbunden waren. Sie war die Einzige, der er es verzieh, wenn sie ihn unumwunden auf seine Schwächen ansprach. Eine Erklärung dafür hatte er nicht.
So genoss er diesen seltenen Augenblick der Zweisamkeit. Er hoffte nur, dass er nicht wieder einen seiner Tobsuchtsanfälle bekam. Am Morgen hatte er sich kaum noch zügeln können. Am liebsten hätte er die Gläubigen, an denen sie vorbeikamen, lauthals verspottet. Schließlich hatte es ihn sogar große Mühe gekostet, sie nicht brutal zur Seite zu stoßen, wenn sie ihm den Weg versperrten. Er erkannte sich kaum noch wieder. Mal war er ganz er selbst, mal eine Marionette des Dämons, der die Kontrolle über seinen Körper übernehmen wollte. Trotzdem erinnerte er sich immer noch nicht an den Namen des Erzfeinds, den Usul ihm verraten hatte, und solange sein Gedächtnis nicht wiederkehrte, konnte er seine Gefährten nicht verlassen.
Kaum waren sie durch die Tür, machte Niss es sich auf ihrem Bett bequem und sah mit einem leisen Lächeln zur Decke. Da er nicht genau wusste, was sie von ihm wollte, machte Cael ein paar zögernde Schritte ins Zimmer und setzte sich schließlich auf Erynes Bett. Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, beide in Gedanken versunken, wandte Niss den Kopf und sah Cael an. In ihrem Blick lag ein seltsames Funkeln.
»Wenn das alles hier vorbei ist, gehst du dann wieder im Großen Haus von Kaul zur Schule?«
Cael konnte seine Überraschung nicht verbergen. Niss schien sich als Einzige einen unverbesserlichen Optimismus bewahrt zu haben. Seit sie aus dem Tiefen Traum erwacht war, lachte sie viel und oft. Und während er selbst nur noch hoffte, den nächsten Tag zu überstehen, tat sie so, als könnte er einfach in sein altes Leben zurückkehren! Sie ahnte ja nicht, was für eine düstere Zukunft ihm bevorstand. Doch darüber wollte er auf keinen Fall reden.
»Vielleicht«, murmelte er. »Das hängt von meinen Eltern ab, und davon, wie der Krieg verläuft. Ich glaube nicht, dass der Krieg bis ins Weiße Land vordringt«, fuhr Niss fort. »Jedenfalls nicht so bald. Vielleicht könntet ihr ja zu uns ziehen?«
Obwohl er sich schon verloren glaubte, fand Cael diesen Gedanken tröstlich, und für einen kurzen Moment keimte Hoffnung in ihm auf. Er stellte sich vor, wie es wäre, wieder mit seinen Eltern vereint zu sein und Niss als Nachbarin zu haben. Dann hätten sie ein ganzes Leben Zeit, einander kennenzulernen. Aber das würde wohl für immer ein ferner Traum bleiben.
»Vielleicht«, wiederholte er. »Aber für solche Pläne ist es noch zu früh.«
Niss’ Lächeln wurde etwas dünner, und sie senkte den Blick, nur um mit charmanter Hartnäckigkeit einen zweiten Vorstoß zu wagen. »Ich muss dir unbedingt meine Cousins vorstellen, Jeran und Tolomin. Sie sind zwar noch etwas klein, aber sehr nett. Bevor ich im Tiefen Traum versank, habe ich immer gern mit ihnen gespielt.«
Diese Erinnerung schien sie traurig zu machen, und wieder trat Schweigen ein. Nach einer Weile beschloss Cael, zumindest zu versuchen, sie etwas aufzumuntern, auch wenn er selbst Trost gebrauchen konnte.
»Ich habe leider nur Amanon als Cousin«, sagte er bemüht heiter. »Aber vor meiner Geburt prophezeite eine Wahrsagerin meinem Vater, dass er zwei Söhne haben werde. Ich warte also immer noch auf einen kleinen Bruder.«
Niss grinste, aber Cael sah es kaum noch. Soeben war ihm mit Entsetzen eingefallen, dass jener zweite Sohn möglicherweise der Dämon war, der seit seiner Geburt in seinem Körper hauste.
»Das Gwel aus dem Jal hat Spuren bei unseren Eltern hinterlassen«, sagte Niss nachdenklich. »Deine Großtante schreibt in ihrem Tagebuch, dass die Wirkung des Gwels die Lebensspanne verlängert, gleichzeitig aber die Fruchtbarkeit verringert. Ich werde wohl keine Geschwister mehr bekommen. Die Familien der Erben waren nie besonders kinderreich.«
Unwillkürlich griff Cael nach dem Anhänger, der unter seinem Hemd verborgen war. Manchmal verlockte ihn der Gedanke, ihn abzulegen, jetzt, wo es nicht mehr darauf ankam. Doch bisher war er immer im letzten Moment zurückgeschreckt, zumal er sicher war, dass seine innere Stimme ihm diese Idee einflüsterte. Und auch jetzt begann sie sich wieder zu regen. Er spürte, wie dumpfe Wut in ihm aufstieg.
»Ich frage mich, ob unsere Gwelome die gleiche Wirkung auf uns haben«, fuhr Niss fort. »Das wäre natürlich schade, aber wir haben
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