Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
sie sich eine Unterkunft suchen, und so führte Nolan seine Freunde zu einer Herberge in einem Viertel, wo ihn niemand kannte.
Als das Wirtshaus endlich in Sicht kam, seufzte Niss erleichtert auf. Innen war sie auf Anhieb begeistert von der schlichten Gemütlichkeit und anheimelnden Ruhe, die nach dem Trubel auf den Straßen umso angenehmer waren. Alle waren sich einig, dass sie hier übernachten wollten, und bezogen unverzüglich zwei große Zimmer. Wie schon auf der
Othenor II
teilte sich Niss das Zimmer mit Eryne und Zejabel.
Niss war froh, endlich das Gepäck absetzen zu können, denn sie trug schwer an ihrem Teil der ethekischen Bücher, die Amanon auf sämtliche Säcke und Bündel verteilt hatte.
Kurz darauf versammelten sich die Freunde im Schankraum. An den Tischen saßen bereits etliche hungrige Gäste, die wie sie nicht hatten warten wollen, bis es zum Mittag läutete: Pilger unterschiedlichster Herkunft, Priester des Großen Tempels in eurydischen Gewändern und vier goronische Soldaten mit mürrischen Mienen. Niss dachte bei sich, dass die Männer zum Waffendienst verdonnert worden waren und ihre Heimat hatten verlassen müssen, nur weil in einem fernen Land ein Prinz und eine Prinzessin ermordet worden waren. Lorelien warf Goran vor, den Mord in Auftrag gegeben zu haben, und der Kaiser konnte oder wollte keine Gegenbeweise vorlegen. Letztlich mussten die Soldaten ausbaden, was sich ihre Herrscher in den Kopf gesetzt hatte. Es war im Grunde nicht anders als bei den Erben, denen eine hunderteinundvierzig Jahre alte Prophezeiung, die höhere Mächte in Gegenwart ihrer Vorfahren ausgesprochen hatten, das Leben schwermachte.
Das Essen war eine gute Gelegenheit, um ihre Pläne zu besprechen, und Amanon wählte wie immer den Tisch, der am weitesten von den anderen Gästen entfernt war. Erleichtert ließen sich die Erben auf die Bänke sinken, nahmen ihre Masken ab und rieben sich die Gesichter. Endlich konnten sie einander wieder in die Augen sehen und sich zulächeln. Nur Cael behielt seine Maske auf und saß so lange reglos da, bis seine Freunde ihn neugierig anstarrten. Schließlich nahm auch er die Maske ab. Niss zwinkerte ihm aufmunternd zu.
Cael sah aus, als habe er einen harten Kampf hinter sich: Seine Gesichtszüge waren verzerrt, und er hatte dunkle Schatten unter den Augen. Der Marsch durch die Straßen der Heiligen Stadt musste ihn zutiefst erschöpft haben.
Da der Wirt nur ein Gericht anbot, Gemüseeintopf mit Speck, hatten die Erben im Handumdrehen dampfende Teller vor sich stehen. Nach den langen Tagen in den Sümpfen des Lus’an und auf dem Meer schmeckte ihnen das frische Gemüse aus dem Garten der Herberge doppelt gut. Niss nahm sich noch einen Nachschlag, während ihr Großvater und Keb einen wahren Wettstreit austrugen und gar nicht mehr aufhören konnten zu essen.
Erst als alle satt und die goronischen Soldaten fort waren, kamen sie auf die Pforte zu sprechen.
»Vielleicht ist sie schon vor Jahrhunderten eingestürzt«, sagte Keb. »Wir haben den ganzen Hang abgesucht und nichts gefunden.«
»Oder sie steht oben auf dem Blumenberg«, warf Bowbaq ein. »Der Große Sohonische Bogen, der ebenfalls eine Pforte ins Jal ist, befindet sich auf einem Felsplateau. Aber er ist völlig verfallen. Ich glaube nicht, dass man den Durchgang noch benutzen kann.«
»Welches ist denn das älteste Viertel von Ith?«, fragte Amanon. »Vielleicht sollten wir dort suchen.«
»Es liegt östlich vom Großen Tempel. Ich kann euch hinführen«, antwortete Nolan. »Aber in diesem Viertel wohnen auch die meisten Emaz. Vermutlich wird es scharf bewacht. Wir würden Misstrauen erregen, wenn wir alle zusammen durch die Straßen spazieren.«
Betretenes Schweigen senkte sich über den Tisch. Seit Usul prophezeit hatte, einer von ihnen werde die anderen verraten, wagten die Erben nicht mehr, sich für längere Zeit zu trennen.
»Ich begleite Eryne«, sagte Keb kurzentschlossen. »Du hast deine Bücher doch sicher noch nicht ausgelesen, oder?«
Diese Frage war natürlich an Amanon gerichtet, der den herausfordernden Blick des Wallatten stumm erwiderte. Der Waffenstillstand, den sie eingehalten hatten, solange sie auf der Feluke gewesen waren, schien gebrochen.
»Ich komme mit!«, sagte Zejabel.
»Gut. Zu viert werden wir nicht auffallen«, meinte Nolan.
Erst wollte Niss protestieren, doch dann fiel ihr ein, dass sie ohnehin keine große Lust auf einen weiteren Marsch durch die Straßen dieser Stadt hatte, in
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