Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
und so hielten sie zunächst nur nach einer einigermaßen geschützten Stelle Ausschau, an der sie ihr Lager aufschlagen und einige Dekanten Schlaf nachholen konnten, während sie sich mit der Wache abwechselten.
»Ich frage mich, warum sich die Pforte zum Kam geöffnet hat«, sagte Bowbaq auf einmal in das Schweigen hinein. »Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn wir gleich im Dara gelandet wären.«
»Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt«, meinte Zejabel. »Zuia konnte uns nur den Zugang zum Karu öffnen, weil ihre schwarze Seele hier herangewachsen ist. Mit Eryne an unserer Seite hätten wir eigentlich in die Gärten des Dara kommen müssen.«
»Mein … mein anderes Ich kennt nur das Karu«, brachte Cael leise hervor. »Vielleicht ist es meine Schuld.«
Zunächst wagte niemand etwas zu erwidern, da sie ihm ansahen, wie sehr er litt. Bislang hatten sie den Angriff auf Niss, sein Verschwinden und die Rückkehr zu seinem gewöhnlichen Verhalten mit keinem Wort erwähnt. Sie waren nur froh, dass er wieder bei ihnen war – für alles andere würde noch Zeit genug sein, wenn sie erst einmal eine Nacht darüber geschlafen hatten. Andererseits konnte ihr Schweigen ihn ebenso sehr treffen wie ein offener Vorwurf. Schlimmstenfalls fasste er es gar als Zustimmung zu seinem Geständnis auf.
»Es hat sicher nichts mit dir zu tun«, sagte Amanon schließlich. »Aus den ethekischen Manuskripten geht hervor, dass die Pforte sich mal zum Kam, mal zum Dara öffnete, wenn die Priester sie beschworen. Es kam wohl darauf an, was für ein Mensch der Tote in den Augen der Sterblichen gewesen war. Verbrecher wurden jedenfalls immer der Unterwelt zugeführt. Ich glaube eher, dass sich das Karu geöffnet hat, weil die Mörder der Dunklen Bruderschaft zugegen waren.«
»Vermutlich hockten die Lemuren damals um den See herum und warteten auf ihr Fressen«, spottete Kebree. »Während die Leichen der braven Bürger im Dara verfaulten.«
»So war es sicher nicht«, protestierte Niss.
»Sie hat recht«, pflichtete Nolan ihr bei. »Alles, was im Dara zurückgelassen wird, verschwindet spurlos, noch bevor es verwesen kann. Dieser Ort verschluckt alles, was nicht zu ihm gehört. Davor hat Nol der Seltsame unsere Eltern eindringlich gewarnt.«
»Wir sollten nicht einmal unsere Bündel zu lange auf dem Boden liegen lassen«, bestätigte Bowbaq.
»Großartig«, brummte der Wallatte ernüchtert.
Nolan fand die Aussicht auch nicht gerade ermutigend. Wer würde sich freiwillig an einen Ort begeben, der Gegenstände und Menschen verschwinden ließ, als würde man einen Schmutzfleck von einem Kleidungsstück klopfen? Nun mussten sie sich auch noch darum sorgen. Immerhin saßen ihre Eltern seit fast sechs Dekaden im Jal fest! Hatte das Dara sie womöglich längst unwiederbringlich verschluckt?
Nolan grübelte immer noch über diese Frage nach, als Amanon endlich eine geeignete Lagerstelle fand. Seine Wahl war auf einen Tunnel gefallen, dessen Zugänge auf beiden Seiten so eng waren, dass sie vor größeren Dämonen sicher waren. Nachdem sich Keb und Cael bereit erklärt hatten, die erste Wache zu übernehmen, streckten sich die Erben im Schein einer kleinen Laterne, die sie in ihre Mitte gestellt hatten, auf ihren Decken aus und versuchten, trotz ihrer schmerzenden Glieder und der drückenden Hitze, die von dem Gwel ausging, etwas Ruhe zu finden.
Nolan wurde derart von seinem Gewissen geplagt, dass er sich lange hin- und herwälzte, bis er endlich in unruhigen Schlaf fiel. Noch in seinen Träumen glaubte er das knisternde Flüstern der Undinen zu hören:
»Komm näher
…
Komm …«
Jemand rüttelte Cael vorsichtig an der Schulter. In der Schwebe zwischen Traum und Wirklichkeit fühlte er sich einen Augenblick lang in den Schlafsaal des Großen Hauses zurückversetzt, wo ihn sein Freund zu einem nächtlichen Ausflug in die Bibliothek geweckt hatte. Doch diese Zeiten waren unwiderruflich vorbei.
Als er die Augen aufschlug, fand er sich in den finsteren Gängen des Karu wieder, mit hämmernden Kopfschmerzen und dementsprechend schlechter Laune. Erst als er Niss erblickte, die ihre Decke neben seine gezogen hatte, hellte sich seine Stimmung etwas auf. Ihr Gesicht war so dicht vor seinem, dass er im ersten Moment versucht war, sie noch einmal zu küssen. Aber er war jetzt wieder der alte Cael, der schüchterne Cael, und so schenkte er ihr nur ein schwaches Lächeln.
»Du hast schlecht geträumt«, erklärte Niss flüsternd. »Du
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