Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
alle anderen Götter menschlichen Ursprungs war. Hätten ihre Eltern sie in der Welt der Menschen gezeugt und aufgezogen, hätte Eurydis ein ganz gewöhnliches Leben geführt und wäre vor Jahrtausenden eines natürlichen Todes gestorben.
Seiner Verehrung und Liebe für Eurydis tat das keinen Abbruch, denn das Schicksal hatte ihr eine ganz besondere Rolle zugedacht. Die Wunder, die sie mit eigenen Händen vollbracht hatte, und die Worte des Friedens, die ihre Priester in ihrem Namen verbreiteten, waren Grund genug, die Göttin der Weisheit anzubeten – so wie Tausende Gläubige dereinst Eryne preisen würden, wenn sich die Kunde von der Heilenden in der bekannten Welt verbreitete.
Doch damit kehrten seine Gedanken unweigerlich zur Offenbarung der Undinen zurück. Es sah ganz so aus, als würde Sombre den Sieg davontragen – und dann würde niemand je von Eryne der Heilenden erfahren.
Als Verzweiflung in ihm aufstieg, biss Nolan die Zähne zusammen und tastete unwillkürlich nach seinem Stockdegen, der wie immer an seinem Gürtel hing. Er hatte Zejabel versprochen, den Kopf nicht hängen zu lassen und sich nicht kampflos zu ergeben. Und zu diesem Wort würde er stehen.
Immerhin hatten die Erben das Gefühl, diesmal besser voranzukommen. Seit ihrem Aufbruch hatte sich das Labyrinth stetig verändert. Durch manche Gänge wehte mittlerweile eine kühle Brise, und das Gwel war weniger hart, fast wie Lehm. Hin und wieder gluckste es sogar unter ihren Füßen, und der Schlamm, der sich an die Stiefel und den Saum ihrer Mäntel heftete, ließ ihre Schritte schwerer werden. Damit war ihre Hoffnung, möglichst wenig Spuren zu hinterlassen, endgültig zunichte: Ihre Fußabdrücke waren so deutlich zu sehen, dass ein Verfolger leichtes Spiel hätte. Dennoch freute sich Bowbaq über die Veränderung, denn er erinnerte sich noch genau, dass die Tunnel bei ihrem Abstieg vom Dara ins Karu zunächst recht feucht gewesen waren. Das konnte nur heißen, dass sie sich tatsächlich immer weiter vom Feuerkessel der Undinen entfernten.
Zwar wurden die Erben diesmal nicht von einem ortskundigen Kobold geführt, doch Amanons Kompass war ihnen eine große Hilfe. Sein Vater hatte ihm dieses seltene romische Kleinod geschenkt, als er zum ersten Mal als Übersetzer auf Reisen gegangen war. Grigän hatte den Kompass bei seinem Marsch durch das Karu nicht nutzen können, da er nicht gewusst hatte, in welcher Richtung der Flüstersee lag; diesmal diente er ihnen jedoch dazu, sich erst einmal möglichst weit vom Mittelpunkt der Unterwelt zu entfernen. Amanon hatte die Himmelsrichtung willkürlich gewählt, und so folgten sie nun immer jenen Tunneln, die westwärts führten, in der Hoffnung, irgendwann auf einen der Durchgänge zu stoßen, die das Karu mit dem Dara verbanden.
Aus Corenns Tagebuch wussten sie, dass die Unterwelt insgesamt acht Höhlengebiete umfasste, die sich rund um den Flüstersee erstreckten. In den größten dieser Grotten lebten die Riesenungeheuer des Karu, doch glücklicherweise schien ihr Weg sie nicht dorthin zu führen. Ein anderer Bereich lag gänzlich unter Wasser, und ein weiterer war für das menschliche Auge unsichtbar. Im Grunde war das einzige Gebiet, über das sie ins Dara gelangen konnten, genau jenes, durch das ihre Eltern vor rund zwanzig Jahren gekommen waren. Und je öfter sie Bowbaq zufrieden in seinen Bart brummen hörten, desto zuversichtlicher wurden sie, dass sie das Glück diesmal auf ihrer Seite hatten.
Doch auch wenn die Gänge gerade hoch genug für einen Menschen waren, genau wie Bowbaq es in Erinnerung hatte, waren sie sicher nicht die Einzigen, die sich hier herumtrieben. Noch waren die Erben auf keine bösartige Kreatur gestoßen, ja nicht einmal auf fremde Spuren, aber Nolan zweifelte nicht daran, dass irgendwo in dieser Finsternis Ungeheuer lauerten. Womöglich hausten die Artgenossen der Lemuren, gegen die sie in Goran und vor der Pforte gekämpft hatten, ganz in ihrer Nähe!
Dabei fiel ihm wieder die Geschichte von den Kindern ein, die die Etheker im Jal geboren und zurückgelassen hatten. Waren die Bestien mit dem Affengesicht vielleicht auch einmal unschuldige Götterkinder gewesen, die das Kam verdorben und bis zur Unkenntlichkeit entstellt hatte? Nein, das konnte nicht sein. Es waren niedere Kreaturen, eine Brut, die vermutlich von noch schaurigeren Dämonen in die Welt gesetzt worden war. Schließlich war es den Erben gelungen, sie zu töten, und jeder hatte das Seine zu dem Sieg
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