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Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte

Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte

Titel: Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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gezeugt.
    Bei seiner Geburt gab man ihm den Namen Nol.
    Schon früh zeigte sich, dass dieses Kind etwas Besonderes an sich hatte. Es dauerte nicht lange, bis die Etheker begriffen, dass ein unsterbliches Wesen unter ihnen lebte, ein leibhaftiger Gott! Bald eiferten viele Auswanderer dem Elternpaar nach, und so kamen zehn, zwanzig, dreißig weitere Kinder zur Welt.
    Einige der wundersamen Kinder fanden den Weg ins Jal’karu, kehrten völlig verwandelt in die Gärten zurück und flößten dort selbst ihren Eltern Furcht ein. Noch schlimmer war es, wenn sie ganz in der Unterwelt blieben. Nach einer Weile kamen Gerüchte auf, dass grausame Kreaturen durch die Pforten entflohen und Angst und Schrecken unter den Menschen verbreiteten. Die Auswanderung ins Jal fand ein jähes Ende. Die Etheker trugen wie eh und je ihre Verstorbenen durch die Pforten, suchten dann aber hastig das Weite. So blieben die seltsamen Kinder schließlich allein zurück, behütet von dem ältesten: Nol dem Lehrenden.
    Daraufhin nahm der Glaube der Etheker neue Formen an. Die Sterblichen begannen, zu mächtigen Wesen zu beten, die an den gefährlichen Pforten Wache hielten und als Einzige imstande waren, den Zugang zum Jal zu öffnen. Und eines Tages nahmen diese der Fantasie entsprungenen Wesen tatsächlich Gestalt an. Manche Stämme erkannten, dass auch jene Ungeheuer einmal von Menschen gezeugte Kinder gewesen waren, und zogen es vor, die Pforten zu zerstören und alle Rituale, die mit dem Jal zu tun hatten, aufzugeben.
    Dies hatte Amanons Ansicht nach dazu geführt, dass die Ära der Etheker zu Ende ging.
    Dabei schilderte die Chronik auch diese Episode nur am Rande. Der Verfasser hatte nicht ahnen können, dass mit der Aufgabe der ethekischen Religion letztlich auch die gesamte Zivilisation untergehen würde. Im Laufe der Jahrhunderte gerieten die Pforten und die Ungeheuer aus dem Kam in Vergessenheit. Allmählich verwandelten sich die Geschehnisse jener Epoche in Aberglauben und Legenden und entfernten sich immer mehr von der Lebenswirklichkeit der Menschen. Die außergewöhnlicheren Kinder des Jal, deren Andenken über die Generationen hinweg am Leben erhalten worden war, wurden nunmehr als Schutzgottheiten verehrt, denen man Tempel und Statuen baute – Eurydis etwa, Mishra, Odrel und viele andere. Doch auch die Sprösslinge der Unterwelt gewannen an Macht und Einfluss, indem sie sich von der Böswilligkeit und Heimtücke der Sterblichen nährten: Züia, K’lur, Soltan. Und ihr jüngster Bruder, Sombre.
    Hier endete Amanons Bericht, und er hätte wohl kein niederschmetternderes Schlusswort finden können. Eryne war so aufgewühlt, dass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Also hatten sie mit ihrer Vermutung recht gehabt: Sie war unsterblich, weil sie im Jal gezeugt worden war. Allerdings war sie nicht im Dara zur Welt gekommen, nicht dort aufgewachsen! Hatte das denn gar keine Bedeutung? Offenbar nicht …
    »Wir wussten ja bereits, dass die Götter dem Geist der Menschen entspringen«, sagte Nolan nachdenklich. »Aber ich hätte nie und nimmer gedacht, dass auch das Jal nur durch die Kraft des Glaubens hervorgebracht wurde.«
    »Es hätte eigentlich mit dem Volk, das es erschaffen hat, untergehen müssen«, spann Amanon den Faden weiter. »Wahrscheinlich wäre es auch so gekommen, wenn die Kinder nicht in den Gärten gelebt hätten – und im Karu.«
    Die bloße Erwähnung der Unterwelt ließ Eryne erschauern. Ihr wurde wieder bewusst, dass sie im Herzen dieser Stätte der ewigen Finsternis saßen. Ein Ort, den es in Wahrheit nicht gab, in dem die Gesetze von Zeit und Raum aufgehoben waren … Ein Reich zwischen Fantasie und Wirklichkeit, aus dem alle Götter und Dämonen stammten, die der, Mensch je ersonnen hatte – und all das Übel, das damit einherging.
    »Ich will hier weg«, hörte sie sich mit tonloser Stimme sagen. »So schnell wie möglich.«
    Sie hatte ausgesprochen, was alle dachten. Nur wenige Dezillen später kehrten die Erben dem Flüstersee den Rücken. Sie konnten nur hoffen, dass der Wächter des Kam sie diesmal ziehen lassen würde.
    Um nicht mehr an die Schreckensvision denken zu müssen, die ihm offenbart worden war, versuchte Nolan krampfhaft, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Zum Glück hatte Amanon ihm mit seiner Übersetzung der ethekischen Chronik viel Stoff zum Grübeln geliefert. Seine Enthüllungen erschütterten die Grundfesten gleich welcher Religion: Damit war erwiesen, dass Eurydis wie auch

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