Die Krieger der Königin: Falkenherz
Augen die Mähne zurück. Er schaute zu Leon und schlug mit dem Vorderhuf auf den Boden. Offensichtlich brannte er darauf, aufzubrechen.
»Ich auch«, sagte Leon.
Er trat von links an Ril heran, packte seine Mähne mit einer Hand und schwang sich auf den Rücken des Sylphen. Ril schnaubte, blieb aber ruhig stehen. »Sag mir, wenn es anfängt, dich zu belasten«, ermahnte Leon ihn. Sie hatten so etwas noch nie versucht, aber bis jetzt hatten sie nirgendwo auf ihrer Reise einen Pferdehändler gesehen. Und sie wollten es auch nicht wagen, Wass und Gabralina mit in eine Stadt zu nehmen.
Die Hände an seinem Hals, dirigierte Leon Ril mit sanftem Druck der Knie. Ril gehorchte willig, auch wenn er ab und zu seinen Meister mit dem Schwanz peitschte. »Stell dir einfach vor, wie wund mein Arsch am Ende des Tages davon sein wird, dass ich auf deiner Wirbelsäule gesessen habe«, erklärte Leon dem Krieger, und Ril wieherte.
Leon war klar, dass sie sich an Seitenstraßen halten musste. Pferde, die ohne Zaumzeug geritten wurden, würden auffallen. Dann sah er auf und wurde bleich. Gabralina saß stolz im Damensitz auf einem großen, eleganten, unglaublich weißen Pferd, das von den silbernen Hufen bis hin zu seiner seidigen, bodenlangen Mähne glänzte – und das Licht spiegelte sich auf dem perlmuttfarbenen gewundenen Horn, das aus seiner Stirn wuchs.
»Oh, bei der Liebe der Götter!«, blaffte Leon. Seine Kopfschmerzen waren zurückgekommen.
Lizzy saß zusammengekauert in einem winzigen Käfig im Laderaum des Schiffes, auf das sie gebracht worden war. Sie war seekrank und hatte unglaubliche Angst. In anderen Käfigen um sie herum meckerten Ziegen und gackerten Hühner. Sie alle protestierten gegen die schlingernden Bewegungen des Schiffes, und auch gegen die Dunkelheit. Ihre Entführer hatten nicht eine einzige Lampe für sie zurückgelassen. Sie saß, die Arme um die Knie geschlungen, in einer Ecke und schluchzte. Sie konnte nichts dagegen tun.
Niemals in ihrem Leben hatte sie solche Angst gehabt, nicht einmal, als der Krieger, der Ril fast umgebracht hätte, in den Raum eingedrungen war, in dem sie und alle anderen sich versteckt hielten. Sie hatte gesehen, wie sein wahnsinniger Blick auf sie gefallen war, bevor Hedu ihn angegriffen und ihr das Leben gerettet hatte. Diesen Moment durchlebte sie seit sechs Jahren immer wieder in ihren Alpträumen und hatte Angst, dass der Krieger zurückkam. Wann immer es besonders schlimm wurde, schlich sie sich aus dem Haus und quer durch die Stadt zu dem Raum, in dem die Krieger ruhten. Gewöhnlich schliefen sie nicht, aber sie erholten sich und schwebten zusammen als Wolken voller Blitze. Lizzy ging dorthin und schlief in einer Ecke, weil sie sich in ihrem schweigsamen Schutz sicher fühlte. Ihr größter Wunsch war es, jetzt dort zu sein. Sie wünschte es sich so sehr, dass es fast wehtat.
»Ril«, wimmerte sie. Sie wollte, dass er sie retten kam, aber Ril war der Krieger ihres Vaters, nicht ihrer. »Daddy«, flüsterte sie stattdessen. »Oh, Daddy.«
Das Schiff wurde auf eine Welle gehoben und Lizzys Magen rebellierte, obwohl sie schon seit Stunden weder etwas gegessen noch getrunken hatte. Ihre Kidnapper fütterten sie, aber nur ein Mal täglich, und das Wasser, das sie ihr dreimal am Tag brachten, hatte sie bereits getrunken. Ihr Durst war so groß gewesen, dass sie sich nicht hatte beherrschen können.
Auf dem Deck über sich konnte sie hören, dass Matrosen hin und her eilten und sich etwas zuschrien. Einerseits wünschte sie sich, einer von ihnen käme nach unten, einfach, damit sie eine andere Person sah, aber andererseits Teil hatte sie Angst davor. Den Männern war befohlen worden, sie nicht zu vergewaltigen – eine unberührte Frau brachte beim Verkauf mehr Geld ein –, aber ein paar hatten den Eindruck gemacht, als wären sie bereit, dem Kapitän seinen Verlust zu erstatten, um sie mal ausprobieren zu dürfen.
Lizzy presste ihr Gesicht auf die Knie. Sie würde verkauft und wegen ihrer blonden Haare und ihrer Jungfräulichkeit zur Sklavin gemacht werden, aber – noch schlimmer – auch wegen ihres Wissens über die Krieger im Sylphental. Der Kapitän des Schiffes wusste von ihnen und auch davon, wie Solie die Herrscher der Welt eingeschüchtert hatte. Er war sich sicher, dass er sie allein wegen dieser Informationen für einen guten Preis verkaufen konnte. Grimmig hatte er ihr mitgeteilt, dass er sich sonst die Mühe nicht gemacht hätte. Er würde für
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