Die Kriegerin der Kelten
mir kommen und vielleicht noch ein letztes Mal die Gegenwart der Träumer in dich aufnehmen?«
Und so kam es, dass Graine Gunovar doch zu dem Treffen im Großen Versammlungshaus begleitete, obgleich dies im Grunde nur geschah, weil ihr kein vernünftiges Argument mehr eingefallen war, um nicht mitgehen zu müssen. Der Kessel lag umgekehrt am Ufer des Bachs, neben ihm ein Rest von dem Brennwurz und die auskühlenden Kohlen des Feuers aus Wermutkraut.
»Was siehst du?«
Es war Bellos, der Junge mit den Augen eines Gottes, der dies fragte. Doch andererseits war Bellos blind und hatte somit womöglich tatsächlich guten Grund, diese Frage zu stellen. Zumal er nur ganz leise sprach, um Luain mac Calma, den Sprecher und Vorsitzenden des Ältestenrats, nicht zu unterbrechen.
Ebenfalls flüsternd antwortete Graine: »Ich sehe ein Feuer aus Rotdornzweigen und Kiefernholz. Doch das Holz ist zu feucht, und es bildet sich zu viel Rauch. Das Feuer hat also kein Herz.«
Der Feuergraben durchmaß das halbe Rundhaus. Graine und Bellos saßen am nördlichen Ende der lang gezogenen Grube, dicht neben dem zusammengefalteten Fell einer schwarzen Stute, auf dem Luain mac Calma Platz genommen hatte. Der Vorsitzende des Ältestenrats hatte Graine zwar kurz zugenickt, als diese das Haus betrat, ihr ansonsten jedoch keine große Beachtung gezollt. Das Ende Monas stand kurz bevor, es blieb keine Zeit mehr, sich mit einem Kind zu unterhalten, ganz gleich, wie lebhaft dessen Visionen auch einst gewesen sein mochten.
»Aber ein bisschen Licht wird doch wohl von dem Feuer ausgehen, oder?«, hakte Bellos nach. »Ich kann doch die Hitze spüren.«
»Ja, es glimmt ein wenig. In der Mitte ist es rot glühend, aber dort, wo die Flammen zwischen den Holzscheiten hervorzüngeln, sind sie nur noch gelb, fast schon weiß.«
»Und was ist mit den Menschen? Was kannst du mir von den Menschen hier erzählen?«
»Nun ja, viel kann ich nicht sehen, es ist einfach zu dunkel. Ich sehe einige Gesichter, an die ich mich aber nur noch bruchstückhaft erinnern kann. Von einigen von ihnen weiß ich vielleicht noch die Namen, falls das für dich von Interesse sein sollte.«
Bellos hatte ein Ziel, wollte Graine mit seinen Fragen irgendwohin führen. Breacas Tochter aber ärgerte sich über die Manipulation, die er da gerade an ihr versuchte. Gunovar war nicht mehr an Graines Seite, denn irgendeiner der Männer, deren Namen ihr entfallen waren, hatte die alte Frau gleich nach ihrer Ankunft in die Mitte der dicht zusammengedrängt sitzenden Schar von Träumern gerufen. Bellos stützte die Ellenbogen auf die Knie und neigte den Kopf zu Graine hinüber. Im schwachen Schein des Feuers schienen seine strahlend blauen Augen fast weiß zu sein, wie Eis, durch das von hinten das Sonnenlicht brach. Immer eindringlicher bahnte Bellos’ Blick sich seinen Weg in Graines Innerstes, wobei seine blinden Augen eine Schärfe bewiesen, die weit über jegliches normale Sehvermögen hinausging. »Nun gut«, entgegnete er. »Dann rede du ruhig weiter von den Flammen. Erzähl mir von ihrer Farbe und was weiß ich nicht noch alles. Und lass dir ruhig Zeit, denn die Besprechung hier dauert sicherlich noch länger.«
Er sprach mit ihr wie mit einem Kind. Graine fühlte sich sehr ungerecht behandelt. Zumal sie sich dadurch erst recht nicht mehr darauf konzentrieren konnte, das Große Versammlungshaus wieder zu jenem Ort werden zu lassen, als den sie es sich gerne vorstellen wollte. Als einen Ort voller Geheimnisse und Träume und als einen Ort, an dem sie die Antwort darauf finden würde, wie sie das Ende Roms herbeiführen könnten. Stattdessen schien das Rundhaus nichts weiter zu sein als ein Hort erschöpfter und verängstigter Träumer, ein Haus, in dem Schweißgeruch die unangenehm feuchte Dunkelheit erfüllte und das Brennholz so ungeschickt aufgeschichtet worden war, dass es nicht richtig brannte, sondern nur rußte, ein Ort, an dem die Pferdefelle, auf denen sie saß, schon ganz steif waren vor Alter und darin getrocknetem Salzwasser.
Noch mehr jedoch, als das alte Große Versammlungshaus noch ein letztes Mal wieder so zu erleben, wie sie es aus besseren Tagen kannte, wünschte Graine sich, dass mac Calma ihnen allen endlich wieder Kraft verleihen möge, dass er ihnen vernünftige Strategien dazu unterbreiten würde, wie sie die Tausende von Legionaren, die bald gegen sie in die Schlacht ziehen würden, irgendwie doch überwältigen könnten. Stattdessen hockte Breacas
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