Die Kriegerin der Kelten
stammen können, dachte an die Leichtigkeit, mit der sie selbst eigentlich mit Pferden und Waffen sollte umgehen können, weil beides ihr Geburtsrecht war, jenes Recht, das sie noch nicht ergreifen konnte.
Graine beneidete alle, die jene Kräfte besaßen, die ihr missgönnt waren. Und den Flammenbildern gegenüber konnte sie ihren Neid auch endlich offen eingestehen und sich dadurch zu jener kämpferischen Frau entwickeln, die sie so gerne werden wollte. Das Feuer zeigte ihr Fragmente der jungen Kriegerin, die in ihr zu schlummern schien. Sie kämpfte, wie auch Cunomar kämpfte, oder besser gesagt, wie Cygfa. Denn selbst in seiner Flammengestalt war Cunomar noch immer zu sehr damit beschäftigt, sich selbst zu beweisen, ein Zustand, den Cygfa schon lange hinter sich gelassen hatte, falls sie denn überhaupt jemals diese Phase durchgemacht hatte.
In Graines Vorstellung und somit auch im Tanz der Flammen kehrte Cygfa nach Mona zurück und wartete am Ufer, während die römische Kavallerie ihre Pferde über die Meerenge schwimmen ließ. Hoch aufgerichtet saß Cygfa auf dem Hengst mit den weißen Fesseln, der das Temperament seines Urahns besaß. Dann gesellte sich auch Valerius auf dem Krähenpferd zu Cygfa, und schließlich ritt sogar Breaca noch heran, unter sich jenes rotbraune Tier, das Cygfa ihr zum Geschenk gemacht hatte.
Die Pferde der Feinde kamen dem Strand immer näher. Ihre Mähnen waren weiß wie die mit Schaumkronen bedeckten Köpfe von Manannans Geschöpfen, jenen Wesen, die aus nichts anderem bestanden als aus Wasser und Wellen. Sie alle strebten auf jene Stelle zu, von der aus Graine am selben Morgen den Sonnenaufgang beobachtet hatte. Sie hatte sich also aus einem ganz bestimmten Grund an genau diesem Abschnitt des Ufers zwischen den Strandhafer gelegt, auch wenn ihr das zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst gewesen war. Im Flammentanz aber ergab dies alles plötzlich einen Sinn. Denn während der dreitägigen, sturmgepeitschten Überfahrt hatte Graine ihren Frieden geschlossen mit dem Gott des Meeres und hatte diese Übereinkunft in der Stille der Ebbe noch einmal besiegelt. Die schier unendliche Menge an Wasser kannte Graine nun ebenso gut, wie Graine das Wasser kannte.
Leise atmete sie einmal tief ein, tauchte in das Meer hinab, versuchte, ihr eigenes Wesen vom Wasser durchdringen zu lassen, bis sie selbst plötzlich der Ozean war. Sie spürte die Wellentäler, fühlte die Wogen, erahnte den wesentlich langsameren Rhythmus der Gezeiten. Sie war das Meer, und wie Hornissen schienen die Pferde der Feinde ihre Haut zu durchstechen. Sie wusste, dass die Pferde in diesem Augenblick in Panik gerieten, eine Panik, die sie, Graine, ganz bewusst auf die Tiere gehetzt hatte. Es tat ihr leid, die Tiere so zu ängstigen. Andererseits aber strampelten die Pferde dadurch umso hektischer, was letztendlich gut war, weil sie dadurch das Meer nur noch wilder aufwühlten.
Die Männer dagegen taten Graine nicht im Geringsten leid. Sie waren wie scharfkantiges Eisen, und ihre Seelen lauerten auf die Entweihung all dessen, was Graine liebte. Es war ein ungutes Gefühl, sie über jenes Meer schwimmen zu spüren, zu dem Graine nun geworden war. Sie schienen genau an jener Stelle zu kratzen, an der der Gezeitenwechsel sich vollzog, dort, wo die riesigen Wassermassen, zu denen Graines Seele gewachsen war, innehielten, um dann, dem Ruf Nemains folgend, ihre Richtung zu wechseln und wieder in die andere Richtung zu strömen. In der Meerenge gab es eine Unterströmung, das wusste Graine genau, hatte es seit dem Anbeginn aller Zeit in ihrem Unterbewusstsein gespürt. Diese Unterströmung ließ die Wogen beim Gezeitenwechsel einander überschlagen, jagte den Männern entgegen, gehorchte allein Graines Willen.
Ein zufriedenes Lächeln hatte sich über Graines Züge gebreitet. Das Meer, das sie war, wälzte sich wieder in die entgegengesetzte Richtung, aus der es ursprünglich auf die Insel zugeströmt war. Sie spürte, wie die Unterströmung in sich selbst zu vibrieren begann, sah, wie die Pferde immer verzweifelter mit ihren Hufen im Wasser strampelten, sah, wie sie mit der Strömung abgetrieben wurden und die Männer in ihren Rüstungen, die sich ohne die Unterstützung ihrer Tiere nicht an der Wasseroberfläche halten konnten, in blinder Panik um sich schlagend untergingen, in kleinen Spiralen immer tiefer sanken und dann reglos auf dem Grund des Meeres liegen blieben, eingebettet in den Sand, der zugleich sowohl Graines
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