Die Kriegerin der Kelten
Ruhestätte war als auch die der Legionare.
Natürlich töteten die Wogen nicht sämtliche der Kavalleristen. Etwa einhundert von ihnen waren noch am Leben. Einhundert von jenen eintausend, die sich ursprünglich daran gemacht hatten, die Meerenge zu durchschwimmen. Doch solcherlei Unglück konnte sich in der Fantasiewelt eines Kindes eben nur allzu schnell ereignen... Diese wenigen Überlebenden jedenfalls schleppten sich so schnell sie nur irgend konnten aus dem Wasser heraus und erklommen den Strand an jener Stelle, an der Graine bereits auf sie wartete.
Langsam ließ sie ihre Seele wieder aus dem Meer zurückweichen und glitt so mühelos zurück in ihren menschlichen Körper, wie man vielleicht einen Arm durch einen Jackenärmel schob. Flach lag sie in den Kies gedrückt und benutzte die Klinge ihres Häutemessers, um die Sonnenstrahlen einzufangen und kleine Blitze auszusenden, ganz so, wie Ardacos es sie gelehrt hatte. Speere aus Sonnenlicht schossen über den Strand, verwirrten die Männer, sodass diese glaubten, dem Tod im Meer nur entronnen zu sein, um nun ein Land aus Rauch und Feuer zu betreten.
Der Rauch, der die Männer umwaberte, war in Wirklichkeit nichts anderes als Graines Werk. In einer anderen Zeit hatte sie den gesamten Strand entlang Kessel mit brennenden Pflanzenresten aufgereiht, hatte dann Asche und altes Holz und das schwächelnde Feuer aus dem Großen Versammlungshaus hinzugefügt und noch eine ganze Reihe anderer Dinge, die ihr eingefallen waren; hatte den Rauch von Pflanzen, die Airmid ihr früher einmal gezeigt hatte, in die Kessel geschickt und schließlich auch noch die Kräuter von Theophilus hinzugefügt, dem griechischen Arzt, der einst einen ganzen Winter in Airmids Gegenwart verbracht hatte. Das Wissen über den Brennwurz stammte von ihm, genauso wie ihre Kenntnisse von den anderen Pflanzen, deren Rauch sowohl Menschen als auch Pferde in tiefe Verwirrung stürzen konnte. All diese Zutaten hatte Graine eilends in Kesseln aus dem Großen Rundhaus herausgetragen, denn in ihrer Vision war sie sehr stark, sie war eine Kriegerin wie ihre Mutter, ein Krieger wie Valerius, und doch ganz anders.
Der Rauch war dicht, fast wie undurchdringlicher Nebel, und raubte jenen, die nicht wussten, wie sie sich dagegen zu schützen hatten, den Verstand. Selbst Graine, die das Rauchwerk angemischt hatte, spürte, wie ihr Gaumen sich immer stärker nach oben durchzubiegen schien, bis er ihr fast schon durch die Schädeldecke platzte. Doch der Rauch betäubte auch ihre Zweifel, erleichterte es ihr, ihre Gedanken über die Grenzen ihres Körpers hinauszutreiben und sie mit dem Land und dem Meer und dem Rauch zu verflechten.
Sie erinnerte sich wieder an Valerius’ Schilderungen, wie schwer es für die Männer doch sei, in voller Rüstung ein Gewässer zu durchschwimmen und dann auf der anderen Seite sofort zu ihren Waffen greifen zu müssen. Also schickte Graine in den Rauch auch noch das sichere Wissen, dass die Durchquerung der Meerenge den Legionaren bereits ihr Letztes abverlangt habe, sodass die Soldaten, die sich ans Ufer schleppten, der Überzeugung waren, viel zu ausgekühlt und erschöpft zu sein, um nun noch kämpfen zu können. Schwerfällig lösten sie sich aus den Fluten, wie betäubt und ohne jeglichen Orientierungssinn. Angeführt von Valerius traten die fünfhundert Krieger von Mona den feindlichen Soldaten gegenüber und metzelten diese noch am Strand nieder. Allein Corvus wurde verschont, denn der war ihnen allen ein Freund, und es gab keinen Grund, warum auch er hätte sterben sollen. Graine hatte zwar zuvor schon die Götter gebeten, Corvus’ Leben zu retten, war sich aber nicht sicher, ob diese sie erhört hätten.
Dann folgte eine kurze Ruhepause, ehe eine weitere Schar von noch lebenden Legionaren auf die Insel zusteuerte. Wie eine lang gezogene Flutwelle kamen sie in ihren Leichtern über das Meer gepaddelt. Hunderte kleiner Boote, ein jedes gedrängt voll mit Männern, die sich vor lauter Angst und Entschlossenheit schon ganz verkrampft hatten und sich noch nicht so ganz schlüssig darüber waren, was sich dort auf der Insel gerade ereignet hatte.
Graine stieß einen schrillen Pfiff aus. Ihre Mutter war nicht mehr zu sehen, dafür aber ritten Valerius und Cygfa zum Strand hinab, flogen nur so über den Kies, als hätten die Götter persönlich sie als ihre Jagdgesellschaft ausgeschickt. Ihre Pferde waren riesig, trugen Rüstungen aus purem Licht, und unter ihren Hufen
Weitere Kostenlose Bücher