Die Kriegerin der Kelten
ertönte Donnergrollen. Graine, Cygfa und Valerius standen zu dritt etwa dreihundert Booten und wohl rund siebentausend Männern gegenüber, doch das Feuer war ihr Verbündeter ebenso wie der Rauch und die dreitausend Träumer, die in diesem Rauch lebten und die die Albträume der Männer, die Bellos ihnen geschickt hatte, nur allzu gut kannten. Die Träumer woben ein Netz zwischen sich, verflochten Rauch mit Seenebel und Angst und warfen dieses Netz dann mitten ins Wasser, auf dass die Legionssoldaten, noch ehe sie ihre Boote verlassen konnten, bereits gefangen waren in den Schlingen ihrer eigenen Ängste.
Die fünfhundert Krieger standen schon bereit, um jenen schmalen Streifen Land zwischen den Träumern und den Legionaren einzunehmen und um Letztere, kaum dass diese an den Strand taumelten, niederzustechen. Doch im Grunde wurden die Krieger kaum gebraucht. Das Traumnetz hatte die Soldaten bereits derart verwirrt, dass diese plötzlich Mann gegen Mann aufeinander losgingen und ganze Kohorten einander angriffen und die Soldaten sich gegenseitig mit einer Wildheit abschlachteten, wie sie nur echtem Zorn und Todesangst entspringen konnte.
Hinter den Legionaren warteten schweigend die fünfhundert Krieger Monas, bereit, die wenigen Überlebenden schließlich auch noch zu töten. Graine, die einzige leibliche Tochter der Bodicea, hob langsam den Arm und senkte ihn dann mit einer raschen Bewegung wieder, genauso, wie sie es sich von ihrer Mutter abgeschaut hatte, und gab damit das Signal, die Schlacht vollends ausbrechen zu lassen.
Eine tiefe, monotone Stimme trat aus dem Hintergrund hervor, eine Stimme, die Graines Feuertraum die ganze Zeit über begleitet hatte und nun wieder lauter wurde. Der Kontrast zwischen den leuchtenden Farben und der Hitze des Traumgefechts und nun dieser ruhigen, fast schon trägen Stimme war so erschreckend, dass Graine in helles Lachen auszubrechen drohte.
»Graine? Graine? Graine?...«
Aus weiter Ferne erklang ihr Name, schien von irgendwo außerhalb des Großen Versammlungshauses langsam zu ihr vorzudringen, vielleicht sogar von jenseits der Insel. Kühle Finger legten sich auf ihr Handgelenk. Blaue Augen von der Farbe des Himmels zur Mittagsstunde schwebten über ihr, gekrönt von Bellos’ Haar, das sich wie eine strahlende Aureole um seinen Kopf schmiegte.
»Graine? Das genügt jetzt fürs Erste. Du kannst aufhören. Aufhören. Es reicht.«
Ihre Kehle schmerzte, und sie krächzte wie ein Basstölpel. Mitten im Wort hielt sie inne. Schwere Stille erfüllte das Große Rundhaus.
Alle schwiegen. Das Stimmengewirr, die leiernden Reden der Träumer schienen bereits vor langer Zeit verstummt zu sein, und alle hatten nur noch Graine angeschaut und ihren Worten gelauscht.
Dicht neben ihr hockte Luain mac Calma. Er war kreidebleich von einer Anstrengung, deren Ursache Graine noch nicht wirklich verstand. Fast schien es, als ob er ganz allein das Traumnetz aus ihrer Vision gehalten habe, als ob er ganz allein die dreitausend Träumer, die dieses Netz webten, mit der Kraft seiner Gedanken genährt habe und als ob ihn diese Anstrengung nun bis in sein Innerstes erschöpft hätte.
»Es tut mir leid«, sagte er leise. »Wir konnten dich nicht geradeheraus darum bitten, wir konnten nur hoffen, dass es womöglich dennoch geschehen würde. Aber Bellos hatte recht, denn du hast uns bereits genug gesagt, mehr als genug. Alles, was wir jetzt noch tun müssen, ist, all das, was du uns erzählt hast, endlich in die Tat umzusetzen - zumindest soweit dies in unserer Macht steht. Das Einzige, was noch nicht ganz sicher ist, ist, welche Pflanzen du benutzt hast, welche Pflanzen diesen Rauch entwickeln, der den Pferden und ihren Reitern den Verstand rauben soll. Und woran erkennen wir Corvus? Worauf müssen wir achten, um ihn zu verschonen? Wenn du uns das vielleicht noch verraten könntest, kannst du weiterschlafen oder dich wieder zu Hawk gesellen, der mittlerweile sehr zornig darüber ist, dass wir dich auf diese Art und Weise benutzt haben. Und womöglich hat er recht mit seinem Zorn...«
Graine starrte Luain mac Calma an, unfähig, ihm auf seine Fragen zu antworten. Sie war hungrig, wollte etwas essen, egal, was, wollte es verschlingen. Und sie war müde.
Und dann, als sie begriff, was Luain gerade gesagt hatte, wallte eine blinde, wilde Panik in ihr auf, die ihr Löcher ins Herz zu reißen schien und sie zu ersticken drohte.
Jemand reichte ihr einen Trinkschlauch, und sie trank. Das Wasser
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