Die Kriegerin der Kelten
er sich wieder. Langsam legte sich ein angenehmes Gefühl der Ruhe über ihn, und die Flammen wichen auseinander. Bellos konnte die Männer hinter der Wand aus Feuer erkennen und das Webwerk ihrer Ängste.
»Warum Feuer?« Bellos spürte, wie mac Calma eine trockene Hand auf seine Stirn legte und sich neben ihn kniete.
Bellos bemühte sich, eine Antwort zu finden. Doch seine Gedanken ließen sich einfach nicht fassen, viel zu schnell und schlüpfrig wie Aale entzogen sie sich immer wieder seinem Griff. Im Geiste trat Bellos von den Beobachtungen, die er in seiner flüchtigen Vision gemacht hatte, wieder ein kleines Stück zurück und betrachtete das Muster, das diese ergaben.
»Die Legionen hatten den Rauch schon gesehen, noch ehe sie sich daran machten, die Meerenge zu überqueren«, entgegnete er schließlich. »Sie glauben, dass wir hier auf Mona unsere Feinde bei lebendigem Leibe rösten. Und diese Vorstellung ängstigt sie mehr als alles andere.«
»Aber wiederum nicht so sehr, um den Rückzug anzutreten und wieder aufs Festland zurückzukehren?«
»Nein. Im Gegenteil, diese Angst verleiht ihnen sogar neuen Zorn, und sie wollen jeden töten, der sie ansonsten womöglich verbrennen könnte.«
»Kannst du noch mehr erkennen? Was liegt unter dem Feuer? Womit könnte man ihren Zorn untergraben und ihren Kampfwillen schwächen? Vielleicht kann man sie ja auch mit irgendetwas verwirren, sodass die Legionare sich am besten einfach gegenseitig umbringen.«
»Ich kann es versuchen.«
Fast fühlte sich Bellos, als ob er wieder der einfache Schüler eines angesehenen Träumers wäre. Doch nun war nicht die Zeit zum Lernen, der Wind brauste ihm ins Gesicht, der Rauch schien ihm sanft die Gewalt über seine Gedanken zu entführen, und Thorn stand einer wahren Flut von Männern gegenüber, die töten würden, ohne dabei auch nur die geringsten Schuldgefühle zu empfinden. Mona stand unmittelbar vor der kompletten Vernichtung. Das war die bittere Realität.
Leise sprach der Vorsitzende des Ältestenrats von Mona: »Ja, versuch es. Für diese Aufgabe bist du geboren worden. Und du kannst es schaffen, du allein kannst uns geben, was wir nun so dringend brauchen, Bellos von Briga.«
Natürlich hatte mac Calma seinen Schützling mit dieser spontanen Namensgebung keineswegs ängstigen wollen, und dennoch war genau das der Effekt. Noch niemals zuvor hatte Bellos gehört, wie sein Name in einem Atemzug mit dem eines Gottes genannt worden war. Und er war sich auch nicht bewusst gewesen, wie sehr er ausgerechnet nach dieser Göttin benannt werden wollte: nach der Allmutter, nach der, die das Leben schenkte und die den Tod regierte, nach der Wächterin über den letzten Fluss und der Herrin über all das, was in dem Land hinter dem Leben lag.
Bellos wurde gerade ein Geschenk angeboten, das wertvoller war als alles andere, was er jemals in seinem Leben geschenkt bekommen hatte. Und er war sich nicht sicher, ob er verdiente, was man ihm nun geben wollte. Die Hoffnungen und Ängste einer ganzen Generation, nein, aller Generationen, lasteten schwer auf ihm und beeinträchtigten seine Gabe, in die Welt jenseits seiner eigenen Blindheit zu blicken. All dies wurde ihm in diesem Augenblick schmerzlich bewusst. Einen Moment lang schlug die Angst vor dem Versagen wie eine riesige Flutwelle über ihm zusammen, und er hatte das Gefühl, als sei er wieder ein kleines Kind, das verloren und ohne Hoffnung oder Zukunft in den Bordellen eines gallischen Seehafens vor sich hin vegetierte. Er dachte an Valerius, und abermals spürte er diese Verwirrtheit in seinem Inneren, die ihn immer dann befiel, wenn er an jenen Mann dachte, der ihn einst aus diesem elenden Leben herausgekauft hatte, und wieder fragte Bellos sich, warum Valerius dies wohl getan hatte. Und wie stets, so folgte auf diese Frage auch diesmal wieder die Erinnerung daran, wie es war, sehen zu können, und daran, dass es keine andere gewesen war als Briga höchstpersönlich, die beschlossen hatte, ihm sein Augenlicht zu nehmen, um ihm dafür ein anderes Sehen zu schenken. Aber dieses andere Sehen reichte nicht aus, um Bellos über seinen Kummer über den Verlust seines Augenlichts hinwegzutrösten.
Zorn, über vier ganze Jahre hinweg in seinem Inneren aufgestaut, schlug über dem Belger zusammen.
»Bellos«, ertönte abermals Luain mac Calmas Stimme.
»Denk nach.«
Das reichte. Verwirrung und Zorn, Angst und Zweifel bildeten einen Teil von Bellos’ Wesen, und das würde auch
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