Die Kriegerin der Kelten
sauberer Schuss genau auf den Nasenrücken, sodass Knochen und Knorpel sich zu Brei vermischten und der Blick aus den Augen des Mannes langsam brach. Unmittelbar darauf traf ein zweiter Stein jenen Mann, der soeben noch die Linke des Zenturios gesichert hatte. Schließlich ließ Valerius seinem Hengst die Zügel schießen und erlaubte ihm, den dritten der Männer des Zenturio mit einem gezielten Tritt seines Vorderhufes zu töten. Den vierten aus der Leibgarde des Veteranenführers tötete Longinus mit einem Schwertstoß in den Rücken und schüttelte gerade noch betrübt den Kopf über eine solch feige Tat, als plötzlich das Durcheinander des Schlachtfelds in blindes Chaos auszuarten schien. Die Veteranen flohen, wurden aber gleich darauf verfolgt von einer ganzen Horde kampferprobter Krieger, von denen wiederum ein jeder so geschickt mit seinem Speer, seiner Schlinge und seinem Schwert zu töten verstand, dass sie allesamt längst den Überblick darüber verloren hatten, wie viele Menschenleben sie schon ausgelöscht hatten. Vor allem kümmerten diese Krieger sich nicht mehr im Geringsten darum, ob sie einem Mann noch von Angesicht zu Angesicht in die Augen gesehen hatten, ehe sie ihn töteten, oder ob sie ihn ganz einfach von hinten niederstreckten.
Mit einem Mal war die Schlacht vorüber. Und sie hatte so gut wie keine Opfer gefordert. Mit Ausnahme von jenem einen verletzten Jungen, der aber, falls er nicht zwischenzeitlich an seinen Wunden verstorben sein sollte, schon bald ordentlich versorgt werden würde. Und auch das Pferd würde, sobald Valerius es wenigstens wieder halbwegs unter Kontrolle gebracht hätte, selbstverständlich ebenfalls mit der ihm gebührenden Sorgfalt versorgt werden. Das heißt, falls es seinen Pflegern dies denn gestatten sollte.
Langsam beruhigte Krähe sich wieder, und Valerius steckte sein Schwert zurück in die Scheide. Doch seine Hände zitterten, unbeholfen hantierte er herum, und es dauerte ein wenig, ehe er die Waffe endlich in deren Futteral versenkt hatte. Dann atmete er einmal tief durch, versuchte, wieder zu sich zu finden, und wagte es schließlich sogar, einen raschen Blick über seine Umgebung schweifen zu lassen.
Longinus war bei Snail, was bedeutete, dass Letzterer wohl noch am Leben war. Zwischen den beiden und Valerius hatte sich derweil ein kleiner, drahtiger Krieger aufgebaut. Quer über sein Gesicht, von der Nase bis zum Ohr hinüber, verlief eine flache, breite Brandnarbe, und in seinem Haar trug er eine einzelne, mit einem feinen Silberdraht geschmückte Kriegerfeder.
Kaum, dass er Valerius’ Blick aufgefangen hatte, hob der Neuankömmling kritisch eine Braue. Schließlich verkündete er: »Bei uns im Westen ist es noch immer Brauch, uns bei denen, die uns das Leben gerettet haben, zu bedanken.«
Und nach einer kleinen Pause fuhr er fort: »Madb ist übrigens auch hier. Und wenn du es schaffst, dich noch daran zu erinnern, wer ich bin, führe ich dich sogar zu ihr.«
Seine Stimme hatte den melodischen Tonfall der Stämme des Westens. Und seine Körperhaltung verriet, wie stolz er darauf war, schon so viele Feinde getötet zu haben, dass er diese schon gar nicht mehr zählen konnte. Daher war es für Valerius zwar in der Tat schwer, aber keineswegs unmöglich, sich wieder an jenen Jungen zu erinnern, der dieser Mann einst gewesen war und der damals, genauso wie Snail heute, ebenfalls eine Standarte für einen Mann hatte tragen müssen, dem er nicht vollkommen vertraute. Ganz anders als Snail jedoch hatte dieser Mann sich dann dennoch mit einem solchen Heldenmut in die Schlacht gestürzt, dass er von da an richtiggehend Gefallen fand am Töten. Und besonders Letzteres war der Grund, weshalb Valerius seine Überraschung darüber, den drahtigen Kerl hier auf dem Schlachtfeld zu entdecken, schließlich kaum mehr verbergen konnte.
»Du bist Huw von den Silurern. Fünfter Cousin mütterlicherseits von Caradoc. Wie könnte ich jemals den besten Steinschleuderschützen von Mona vergessen?« Valerius spürte, wie ihm der Mund trocken wurde, und schluckte. »Aber was machst du hier im Osten, während Suetonius Paulinus zwei komplette Legionen und vier Kavallerieflügel auf die Zerstörung Monas angesetzt hat? Ist die Insel etwa schon verloren? Sind wir zu spät, um die Zerstörung Monas noch zu verhindern?«
»Vielleicht sind wir bereits zu spät, kann schon sein. Aber das bezweifle ich. Und wir wurden von keinem Geringeren ausgesandt als von Luain mac Calma
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