Die Kriegerin der Kelten
Zipfels im Westen und des sich nach Osten hin vorwölbenden Rückgrats und der Insel Mona und ihrer größeren Cousine, Hibernia, die ein Stück jenseits der westlichen Küstenlinie lag. Nachdem der Schreiber akribisch genau jeden seiner Striche in den Sand platziert hatte, legte er den Stift vorsichtig wieder beiseite und setzte einen kleinen, aus Kupfer gefertigten Adler unmittelbar auf die Küstenlinie gleich gegenüber von Mona.
Anschließend löschte der Gouverneur mit einem raschen Druck seiner Daumenkuppe in den Osten des Sandtabletts sämtliche Erinnerungen an Camulodunum. Mit dem Daumennagel fuhr er dann ein kleines Stück nach unten und nach links. »Genau hier«, verkündete er, »entlang der Thamesis, jenem Strom, den die Wilden nur den Großen Fluss nennen. Clemens sieht das zwar immer noch anders, aber ich bin nach wie vor der Ansicht, dass die Eceni, sobald sie Camulodunum niedergebrannt haben, weiterziehen werden, und zwar nach Süden an den Ort ihrer ersten Niederlage, wo sie dann sämtliche Handelshäfen entlang des Flusses in Schutt und Asche legen werden, bis hin zu der von Vespasian erbauten Brücke - der diese Brücke im Übrigen bewusst so niedrig errichtet hatte, dass die größeren Schiffe nicht darunter hindurchfahren können und sein Hafen sich somit zum größten der gesamten Thamesis entwickeln konnte. Vespasians Hafen wird einem Angriff wohl noch am längsten standhalten können. Falls wir es also schaffen sollten, diese Brücke zu erreichen, sie einzunehmen und die örtlichen Obrigkeiten dazu zu bewegen, diese Brücke gegen die Wilden zu halten, hätten wir immerhin eine Route, über die wir jene südlichen Stämme erreichen könnten, die Rom als Erste ihren Treueschwur geleistet haben. Und was den Zeitplan angeht, so glaube ich, dass Camulodunum in spätestens drei Tagen komplett zerstört sein wird. Das heißt, falls nicht noch ein Wunder geschieht und die Veteranen die Belagerung länger ertragen.«
»Ihr baut also auf die Unterstützung von Berikos’ Atrebatern«, stellte Corvus fest.
»So ist es. Denn sollten die Wilden es schaffen, uns von sämtlichen Routen abzuschneiden, die zum Meer oder an die Küste führen, wäre das unser Todesurteil. Diese eine Brücke ist so etwas wie unsere Lebensversicherung, und Angriff ist noch immer die beste Verteidigung. Aber für so ein Unterfangen sind die Legionen natürlich viel zu langsam. So etwas kann man nur mit der Kavallerie schaffen. Ich brauche also eine Truppe von Kavalleristen. Und die muss angeführt werden von einem Offizier, der sowohl die Küstengebiete als auch die Gezeitenverhältnisse kennt und der bereits mit den Handelskapitänen bekannt sein muss, die mich auf meiner Reise unterstützen werden. Mit anderen Worten: Ihr behaltet Euer Leben, dafür aber müsst Ihr mich begleiten.«
Corvus starrte den Gouverneur an. »Und damit wollen wir dem versammelten Volk der Eceni gegenübertreten? Nur wir beide und ein Kavallerieflügel?« Niemals hätte Corvus gedacht, dass der Gouverneur so bereitwillig in den Tod gehen würde.
»Nein, weniger als ein Kavallerieflügel. Denn wie soll man einen kompletten Flügel in die Boote zwängen? In jedem Fall müssen wir noch vor den Eceni dort unten ankommen, und zwar zusammen mit ein paar Kavalleristen, die dann im Anschluss mit meinen neuen Befehlen hierher zurück ins Lager eilen. Eine Legion ist ja immer nur so schnell wie der langsamste Esel. Zwei Dutzend - vielleicht auch nur ein Dutzend - Reiter aber können problemlos per Schiff von diesem Hafen aus zu dem hier gelangen...« Damit fuhr Paulinus mit dem Stift in südliche Richtung bis an die Küstenlinie hinab und rammte ihn dort am Ufer, unmittelbar westlich des Seehafens an der Thamesis, wie eine winzige Fahnenstange in den Sand. »Die örtlichen Behörden werden das Ausmaß der Gefahr, die ihnen droht, schon einzuschätzen wissen. Sie werden begreifen, wie kurz sie vor ihrer eigenen Vernichtung stehen. Sollte uns also noch Zeit bleiben, die Legionen zu uns in den Süden zu befehligen, werden wir das selbstverständlich auch tun. Falls die Zeit dazu nicht mehr ausreicht, wissen wir ja immerhin, was uns erwartet. Derweil wird der Legat der Vierzehnten Legion den Angriff auf Mona fortsetzen.«
»Wann brechen wir auf?«
»Mit der Ebbe bei Sonnenaufgang. Die Eceni werden bestimmt keine Zeit verschwenden, ebenso wenig wie ihre Verbündeten. Wenn wir also überleben wollen, müssen wir Britannien schleunigst wieder in unsere Gewalt
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