Die Kriegerin der Kelten
wie ein Hund, den man ungerechterweise von der Jagd abhielt; wie ein Pferd, das über Generationen hinweg allein zum Rennen gezüchtet worden war und das dann, als endlich eines dieser ersehnten Rennen begann, in den Stall gesperrt wurde. Das alles ergab einfach keinen Sinn. Zumal Graine nicht mit einem einzigen Wort darum gebeten hatte, dass Hawk ihr sein gesamtes Leben, all seine Fürsorge widmen möge. Und sie brauchte das alles ja auch gar nicht. Genauso wenig, wie er offenbar ihr Geschenk, die Waffe eines anderen Mannes, brauchte.
»Nein, ich denke nicht, dass ich eine dieser Waffen annehmen dürfte«, entgegnete er auch prompt. »Im Übrigen ist das Schwert deiner Ahnen ohnehin nicht für einen Fremden aus einem anderen Stamm bestimmt, sondern allein für die Mitglieder deiner Familie. Und überhaupt habe ich schließlich meine eigene Waffe. Die war auch ein Geschenk von einem meiner Ahnen, von meinem Vater, genauer gesagt.«
Mit gekreuzten Beinen ließ er sich auf dem dichten Moos nieder. Keine andere als Graines Mutter war es gewesen, die damals seinen Vater getötet hatte. Graine und Hawk hatten dies jedoch noch nie offen zwischen sich zur Sprache gebracht. Graine wollte lieber nicht mit diesem Thema anfangen. Und auch Hawk schien zumindest ihrem Eindruck nach nicht darüber sprechen zu wollen. Mittlerweile bekam sie ein recht gutes Gespür dafür, wenn Hawk sich wieder einmal von der äußeren Umgebung zurückzuziehen und in seine eigene Gedankenwelt zu versenken schien. Dennoch bemühte er sich, möglichst höflich und aufmerksam dreinzuschauen, was ein sehr unangenehmes Gefühl war.
Der Morgen war einfach viel zu schön, um ihn sich von solch störenden Empfindungen verderben zu lassen, sodass Graine, die Hawk direkt gegenübersaß, sich nun ebenfalls in ihr Inneres zurückzog und einfach wartete.
Nach einer Weile, als alles, was sie beide noch hörten, der Bach und die in einiger Entfernung zwitschernden Lerchen waren, beugte Hawk sich vor und entfaltete die beiden Enden des Schafsfelles, bis die Haut offen am Ufer lag und die wollene Seite nach oben zeigte. Der Gerber hatte die beiden Ohren des Tieres drangelassen, ebenso wie den Schwanzansatz, sodass man sich ungefähr vorstellen konnte, wie das Muster aus weißen und schlammbraunen Fellflecken wohl ausgesehen haben mochte, als es noch den Rücken des Lamms umschloss, das im vergangenen Sommer noch durch die Pferche nahe dem Großen Versammlungshaus gestürmt war.
Quer über den Flecken, teilweise verborgen in ihrem zotteligen Fell, lagen ein Schwert und ein Messer. Dicht schmiegte sich die Lammwolle um die Waffen, sodass man nicht viel von ihnen erkennen konnte, außer dem mattbläulichen Glanz von Eisen und der Tatsache, dass beide so klein waren, dass sogar ein neunjähriges Mädchen mit ihnen müsste umgehen können.
Noch einmal wiederholte Graine: »Ich will nicht lernen, wie man kämpft.«
Wortlos hob Hawk das Schwert hoch. Der Griff war aus Bronze und in der Form eines rennenden Hasen gefertigt, wobei der Kopf des Tieres den Schwertknauf bildete und die Silhouette seines Körpers so gearbeitet war, dass sie sich auch in eine sehr kleine Hand gut einpassen sollte. Die Hinterbeine des Tieres streckten sich weit nach hinten, schienen sich um sich selbst zu winden und gingen dann in die Klinge über, sodass Waffe und Symboltier perfekt miteinander zu verschmelzen schienen, ganz so, als ob der Hase dem Wasser entstiege oder gar dem Mond. Über die gesamte Länge des Eisens waren mit kupfernen und silbernen Fäden winzige magische Zeichen eingelassen worden. Sie schienen vor Graines Augen zu verschwimmen, schienen Worte zu flüstern, die sie aber nicht verstand. Rasch wandte sie den Blick ab.
»Die hat Valerius geschmiedet«, erklärte Hawk. »Speziell für dich. Ich habe sie kurz vor unserem Aufbruch von deiner Mutter bekommen. Sie hat mich gebeten, sie dir erst zu geben, wenn du auch bereit wärst, sie zu benutzen.«
Kleine Kaulquappen schwammen im Bach umher, und in einem der flachen, ruhigen Seitenarme des Flüsschens lag das zerfressene Ende einer Hasenkeule. Irgendjemand hatte sie dort ins Wasser geworfen. Nun war sie umringt von kleinen, aalähnlichen Geschöpfen mit kugelartigen Köpfen. Und gemeinsam erinnerten Keule und Tiere an eine gefräßige, schwarzblättrige Blüte.
Graine stupste mit einem Zeh ins Wasser, bis zarte Ringe durch das Nass glitten. Das schwarze Gebilde zerstob in schier unzählige Einzelwesen, nur um sich gleich
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