Die Kriegerin der Kelten
schweifen, der sich nun nach langer Zeit wieder über den Boden der Kammer erstreckte. Und natürlich nahm sie auch die Klümpchen von frisch aufgebrochener Erde wahr, die an der Rückwand zu einem kleinen Haufen zusammengeschoben lagen. Obenauf ruhte ein Messer, allerdings ohne das dazugehörige Futteral. »Du hast ein Fenster in die Rückwand geschnitten«, bemerkte Airmid.
»Das war schon vorher da gewesen«, erklärte Breaca, »damals, als der Grabhügel frisch angelegt worden war. Luain mac Calma hatte dieses Fenster geschaffen, damit auch die Westsonne in die Kammer eindringen kann. Ihr Glanz sollte die Urne mit Cunobelins Asche ehren.«
»Richtig, Luain wollte den Toten nicht nur mit dem Sonnenaufgang, sondern auch mit der Abendsonne lobpreisen. Das hatte ich ganz vergessen.« Airmid zögerte einen winzigen Moment, fast schien es, als wollte sie die Grabstätte schon wieder verlassen. »Bist du hierhergekommen, um Frieden zu finden? Oder um mit den Toten zu sprechen?«
»Sowohl als auch. Komm doch rein.«
Die Heilerin roch nach Flusswasser und Theophilus’ Rosmarinöl und weniger nach dem Blut und der Angst, dem Schmerz und dem Gestank von verbranntem Fleisch, wie er in dem provisorischen Krankenlager auf der Koppel herrschte. Airmid hatte die Eindrücke des Krieges weitgehend von sich abgestreift, um nicht die Ruhe der Grabstätte zu stören. Dort, wo die Schatten in der Kammer etwas dunkler waren, also genau gegenüber von Breaca, ließ sie sich nieder. Vorsichtig begann sie: »Die Schlacht um den Tempel ist so gut wie gewonnen. Und ich habe auch gesehen, was du getan hast, um Illenas Mutter zu retten. Das war sehr ehrenwert von dir.«
Breaca runzelte die Stirn. »Du meinst die Frau mit dem rostroten Haar? Ich hatte sie fast schon wieder aus meinem Gedächtnis gestrichen. Und ich habe auch bestimmt nicht der Ehre halber so gehandelt. Für mich war die Frau in dem Moment einfach nur eine Mutter, die ihre Tochter verloren hatte. Und es gab keinen Grund, warum ich inmitten von all dem Töten noch mehr Schmerz heraufbeschwören sollte.«
»Breaca?« Airmid griff nach der Hand ihrer Freundin. »Ganz offenbar bekommt dir das Kämpfen nicht mehr und bereitet dir Übelkeit. Muss ich es also wirklich erst laut aussprechen, ehe du begreifst, dass du es dann besser sein lassen solltest?«
»Nein, das steht außer Frage. Ich wollte dich auch selbst schon aufsuchen, um dir zu sagen, dass ich meinen Schild und mein Schwert an Cunomar weiterreichen werde. Valerius hat schließlich noch nicht genügend Anhänger gefunden unter den Angehörigen des Kriegsheeres. Aber als ich dann gesehen habe, wie das Sonnenlicht von den Tempeltüren glitt, fiel mir plötzlich wieder ein Versprechen ein, das ich früher einmal gegeben hatte, sodass ich letztlich doch nicht zu dir gekommen bin, sondern erst einmal den Grabhügel hier aufsuchen wollte.«
Breaca öffnete die Faust, und zum Vorschein kam Cunobelins Ring, das erste der beiden Geschenke, die er ihr damals gemacht hatte. Allerdings schien kein besonderer Funke, keinerlei Lebendigkeit von dem Ring auszugehen, sondern er lag einfach nur ruhig und wie von tiefem Schweigen umgeben im Glanz des Abendlichts in Breacas Handfläche. Und das Schmuckstück war schwer, eben wie für einen Mann gemacht. Der Ringkopf ähnelte einer kleinen Tafel, in die ein Hund eingraviert war, der seine Schnauze wie im Gruße der Sonne entgegenhob. Breaca presste den flachen Ringkopf in das schwielige Fleisch an ihrem Daumen und beobachtete, wie der Abdruck des Symboltieres sich in ihre Haut presste, erst weißlich und dann tiefrot, als er wieder mit frischem Blut gefüllt wurde.
Als schließlich auch der rot glühende Untergrund wieder in eine normale Hautfarbe überging, fuhr sie fort: »Cunomar hat Jahre verbracht in dem stetigen Bemühen, ein Krieger mit den Augen und dem Herzen eines Träumers zu werden. Hat sich gequält, um endlich, eines Tages, dieses Ziel zu erreichen. Und ich bin seine Mutter. Darum wollte ich natürlich, dass er Erfolg hat in seinem Streben. Und bis heute hatte ich auch stets geglaubt, dass er irgendwann dort ankommen würde, wo es ihn hinzieht.«
Nachsichtig entgegnete Airmid: »Dein Sohn ist ein ganz und gar außergewöhnlicher Mensch, und sein Wesen gereicht sowohl seinem Vater als auch seiner Mutter zu höchster Ehre. Aber kein Krieger unter dem Stern der Bärin hat jemals den Geist und das Herz eines Träumers entwickelt. Und das wird auch niemals passieren. Die
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