Die Kriegerin der Kelten
beide auf Corvus’ Vorschlag hin der Gruppe zugeteilt worden waren, der eine, um die Reisegesellschaft zu unterstützen, der andere, weil es nicht mehr länger sicher war, ihn einfach unbeaufsichtigt zurückzulassen.
Schließlich war noch Gaius ausgewählt worden. Er war praktisch ein Ortsansässiger, da er bereits so lange in der Festung der Zwanzigsten Legion gelebt hatte, dass er in einer Mundart sprach, wie man sie üblicherweise in der Gosse jener drei Straßen zu hören bekam, die zwischen der Mons Avertina und dem Tiber in Rom verliefen. Während der Passage auf der Frachtschaluppe hatte man sich zugeraunt, dass der Gouverneur diesem Mann das römische Bürgerrecht versprochen hatte, wenn man mit seiner Hilfe den Krieg gegen die Stämme gewinnen könne. Wahrscheinlicher aber war ein zweites Gerücht, das besagte, dass Gaius drei Söhne habe, auf die er außergewöhnlich stolz sei, und dass er sich nichts sehnlicher wünsche, als dass seine drei Söhne das Bürgerrecht erhielten.
Mit erhobenem Haupte stand Suetonius Paulinus, Gouverneur von ganz Britannien, an dem von Unkraut gesäumten Sandstrand, an den geradewegs das Land der Eingeborenen angrenzte. Eingeborene, die, wenn schon nicht freundlich gesonnen, Rom doch zumindest nicht in feindseliger Stimmung gegenüberstehen sollten. Statt seiner eisernen Rüstung hatte Paulinus lediglich das lederne Schutzwams angelegt, schließlich wollte er, für den Fall, dass das Beiboot kentern sollte, nicht jämmerlich ertrinken. Und auch das Schwert, das er bei sich führte, war kein Paradeschwert, sondern für den reellen Dienst gefertigt - das Heft und das Querstück waren mit Wildschweinleder bezogen, sodass sich weder Sonnenlicht noch Mondschein in ihnen spiegeln konnte und seinen Träger damit verraten hätte. Paulinus’ Helm war schon ganz matt vom Alter und von so simpler Machart, dass er auch jedem anderen Legionar hätte gehören können. Die Männer, die sich nun in der Dunkelheit am Strand versammelt hatten, waren allesamt vom gleichen Schlage wie ihr Anführer. Es waren grimmige, harte Männer, die genau wussten, was von ihnen verlangt wurde, und die auch die damit einhergehenden Risiken einschätzen konnten.
Aufmerksam ließ Paulinus den Blick über seine Gefolgsleute schweifen, und was er sah, erfüllte ihn mit Zufriedenheit. »Von nun an bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir die Brücke von Vespasian erreichen und sie einnehmen, werden wir uns so verhalten, als wären die Wilden unsere erklärten Feinde. Wir werden schnell reiten, und wir werden hart reiten. Wir werden versuchen, jegliche Konfrontation mit den Stammesangehörigen zu vermeiden, ja, selbst ein rein zufälliges Zusammentreffen wollen wir umgehen. Und sollten wir dennoch dem einen oder anderen begegnen, so ist dieser sofort zu töten.«
Gemäß der Ankündigung des Gouverneurs ritten sie in der Tat hart, aber keineswegs schnell.
Es hieß, dass Kaiser Tiberius damals, als er noch General in den germanischen Provinzen war, an einem einzigen Tag rund dreihundertundfünfzig Kilometer zurückgelegt hätte. Entspräche diese Sage tatsächlich der Wahrheit, so hätte er damit nicht weniger als einmal die komplette Breite Britanniens durchmessen. Ließe man zudem außer Betracht, dass zu Tiberius’ Zeiten noch keinerlei befestigte Straßen die Provinzen von Germanien durchzogen, hätte er spätestens alle dreißig Kilometer an den Streckenposten das Pferd wechseln müssen.
Suetonius Paulinus und seine fünfzehn Männer konnten aber nicht auf derlei Ressourcen zurückgreifen. Stattdessen ritten sie über holprige Wege und Ziegenpfade und mussten sich bei ihrer Route ganz auf die Führung von Gaius verlassen, der aus dem Stamme der nördlichen Silurer war und sich darum mit den südlichen Straßenverhältnissen nur wenig auskannte. Es gab auch keine Pferdeknechte, ein jeder der Männer war selbst für das Wohlergehen seines Tieres verantwortlich.
Paulinus und seine Gefolgschaft begegneten nur sehr wenigen Eingeborenen, die wiederum allesamt Krieger in voller Kriegsbemalung waren und stolz die Federn zum Zeichen der von ihnen getöteten Feinde im Haar trugen. Allerdings wagte keiner der Wilden sich so dicht an die Römer heran, dass diese sie hätten angreifen können. Und es folgte auch keiner von Paulinus’ Männern den Eingeborenen, denn das Risiko, in einen Hinterhalt gelockt zu werden oder aber die Pferde zu verlieren, war einfach zu groß. Lediglich ein junger Bursche ließ sein Leben; er
Weitere Kostenlose Bücher