Die Kriegerin der Kelten
Bodicea sich an ihr Kriegsheer und ritt dabei jenen schwarzen Hengst mit den weißen Fesseln, den Cygfa ihr am Vorabend der Schlacht geschenkt hatte - es war ein Geschenk, das aus tiefstem Herzen kam.
Breaca hatte ihre Position im Westen eingenommen, vor sich die aufgehende Sonne, hinter sich den umgeschichteten Scheiterhaufen von Braint, sodass die römische Armee gar nicht anders konnte, als genau vor diesem Scheiterhaufen Aufstellung zu beziehen und damit unfreiwilligerweise auch ihrerseits der Ranghöchsten Kriegerin von Mona noch einen gewissen Tribut zu zollen.
Seit zwei Tagen hatte Breaca nun nicht mehr richtig geschlafen und fühlte sich dennoch so wach, als wäre sie gerade erst aufgestanden. In ihrem Inneren lebten sowohl die Sonne als auch der gehörnte Mond. Der Puls der Erde war ihr eigener Puls. Und im Rhythmus dieses Pulses schritten die Götter neben ihr einher. Manche Geister wiederum folgten ihrem ganz eigenen Takt. Und überall um sie herum lauerte der Tod. Breaca hätte einfach nur von ihrem Pferd absteigen müssen und eine der unzähligen, unsichtbaren Schwellen zu überschreiten brauchen, und sofort wäre sie in das Land hinter dem Leben eingetreten, ohne dass es dazu erst einer Schlacht bedurft hätte oder gar eines Steins, mit dem ihr irgendjemand den Schädel zertrümmert hätte.
Dennoch war Breaca keineswegs bereit zum Sterben und würde es wohl auch niemals sein. Das Leben hielt einfach zu viele Versprechungen bereit.
Und geradewegs vor ihr hatte sich jene Hoffnung manifestiert, die all diese Versprechungen Wirklichkeit werden lassen würde. Fünfzigtausend Krieger hatten sich hier versammelt, und ein jeder von ihnen hatte sich allein ihr, der Bodicea, verschworen. Sämtliche einstigen Stammesabzeichen waren abgelegt worden. Coritani kämpften Seite an Seite mit Cornovii, und beide wurden von Eceni flankiert, und über allem prangte das Zeichen des Schlangenspeers. Früher hätte nun die Träumerin der Ahnen Breaca begleitet, wäre ihr gefolgt, hätte seitlich neben ihr Posten bezogen oder hätte mit dem trockenen Zischeln einer Schlange in der Höhle in Breacas Unterbewusstsein gelauert und erklärt, dass der Schlangenspeer allein ihr gehöre. Nun jedoch existierte keine Höhle mehr in Breacas Denken, und auch das Echo der Träumerin der Ahnen war verhallt. Denn Breaca hatte den Schlangenspeer nun zu ihrem eigenen Zeichen erhoben. Alles, die einstige Bedeutung des Schlangenspeers, seine gegenwärtige Macht und auch seine zukünftige Symbolik schienen plötzlich allein Breacas Werk und allein ihre Errungenschaft zu sein. Und nicht einer der Götter missbilligte Breacas neue Haltung.
Die Krieger schwiegen, warteten. Sie standen mit dem Rücken in Richtung Osten gewandt. Allein Breaca sah jenen Augenblick, als die Sonne über dem Horizont aufstieg und eine einzelne, schattenspendende Wolke zerteilte, ganz so, wie die Sonne auch in Camulodunum schließlich den Dunstschleier besiegt hatte, nur dass sie sich dieses Mal wesentlich rascher über das Wolkengebirge erhob. Gleißend verschmolz das Feuer am Himmel, das Feuer der Götter mit jenem Feuer, das in den Herzen der Krieger glühte, und Breaca war die Mittlerin, die Pforte, durch die diese beiden Mächte sich miteinander vereinten.
Sie hob die Arme, entbot ihrem Kriegsheer ihren Gruß. In schweigender Erwiderung wurde ein ganzer Wald von Speeren in Richtung Himmel gehoben. Eine wahre Woge an blank polierten Schildbuckeln fing die Strahlen der Sonne ein und ließ einen Ozean an Licht um Breaca herumbranden und schließlich in Braints Scheiterhaufen münden.
Breaca wagte es kaum, die Stimme zu erheben. Sie konnte zu eintausend Menschen sprechen, zu dreitausend, vielleicht sogar zu zehntausend, jedoch nicht zu jenen fünfzigtausend Kriegern und noch einmal so vielen Flüchtlingen, welche sich hinter den Kriegern versammelt hatten in der Hoffnung, dass die Bodicea auch ihre Jubelschreie hören möge.
Trotzdem verlangte das Heer nach einer kurzen Ansprache, nach etwas, das ihnen den Sieg verhieß, wenn sie nun in den Krieg zögen.
Breacas gesamte Familie hatte sich um sie herum versammelt. Airmid und die Träumer standen auf der einen Seite, ihre Töchter und Söhne auf der anderen, und Valerius hatte genau den Mittelplatz zwischen diesen beiden kleinen Gruppen eingenommen. Die Sonne war ihr geheimes Zeichen. Ohne vorherige Übung, aber doch in gemeinsamer Absprache traten Cygfa und Valerius vor, wobei sie zwischen sich einen der riesigen
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