Die Kriegerin der Kelten
Valerius die letzten Tore zu seiner Seele, um den Gesang beider Götter gleichermaßen durch sich hindurchbranden zu lassen und um ihn so schließlich ungehindert zu dem Kind und somit auch zu dem Tier auf der Ebene weiterzuleiten.
Es war so schnell vorbei.
Schnurgerade, pfeilschnell und gottbefohlen rannte die Häsin zwischen den beiden Hunden des Gouverneurs hindurch. Diese waren das Beste, was man für römisches Gold kaufen konnte: Beide Tiere reagierten blitzschnell, machten auf der Stelle eine enge Kehrtwende, flitzten in einem perfekten Bogen in die entgegengesetzte Richtung zurück, trafen sich auf der Mittellinie, dort, wo gerade eben noch die Häsin gewesen war - und prallten dabei mit einer solchen Wucht zusammen, dass der eine Hund gellend aufheulte und der andere so stumm wie ein geschlachtetes Schaf zur Seite sank, um reglos und mit gebrochenem Genick im Gras liegen zu bleiben.
Die Häsin aber rannte unbeirrbar geradewegs durch die römischen Reihen, raste zwischen unzähligen Römerbeinen hindurch zu den Überresten des dahinterliegenden Legionslagers, und nicht einer von all denen, die sich hastig nach ihr bückten, schaffte es, sie einzufangen.
Sie war in die Freiheit hinter den römischen Linien entkommen.
Angespannte Stille senkte sich über das Legionsheer. Nur ein einzelnes Pferd stampfte mit den Hufen, um die lästigen Fliegen zu vertreiben. Sein Geschirr klirrte leise. Unbeholfen tastete Breaca nach der Hand ihrer Tochter. Endlich wagte auch Graine es, wieder aufzublicken, und stellte fest, dass sie recht gehabt hatte mit ihrer Annahme, dass ihre Mutter weine.
»Du solltest jetzt gehen«, sagte die Bodicea. »Nimm Stone mit, damit er dich beschützen kann und du wiederum ihn. Airmid wird sich um euch beide kümmern. Wenn die Schlacht zu Ende ist, treffen wir uns wieder.«
Sie küsste ihre Tochter liebevoll in Gegenwart beider Armeen. Dann wandte Graine sich zum Gehen. Hawk war da, brachte den schwarzen Junghengst mit den weißen Fesseln herbei, den Cygfa der Bodicea anlässlich der bevorstehenden Schlacht zum Geschenk gemacht hatte.
Graine marschierte mit ihrem verkrüppelten Kampfhund den Abhang der Rippelmarke hinauf, und schweigend teilte sich das Kriegsheer, um sie hindurchzulassen. Genauso, wie sie es mit Airmid zu halten pflegte, mit Cygfa und Valerius, mit Cunomar und Hawk und Ardacos, genauso, wie sie es damals, vor langer Zeit, mit Caradoc gehalten hatte, so sagte ihre Mutter auch ihr, Graine, vor einer Schlacht niemals Auf Wiedersehen. Niemals. Weil es Unglück brachte.
Schreiend stürmte die erste Angriffswelle der Krieger über jene Stelle hinweg, an der sie gerade eben noch mit ihrer Mutter gestanden hatte.
XLIII
Schon waren die Reiter vorwärtsgeprescht. Wie eine gewaltige Flutwelle aus donnernden Hufen strömten sie über die Rippelmarke hinweg und stießen dabei ein solch schauriges Kampfgeheul aus, dass es selbst die zähesten Krähen schließlich aus ihren Bäumen vertrieb. In blankem Entsetzen rissen die Reihen der Legionare ihre Langspeere hoch. Ihre Ausbildung bot ihnen selbst in derlei beängstigenden Augenblicken eine feste Basis, etwas, woran sie sich halten konnten; ihr Glaube an den Sieg aber war beträchtlich ins Wanken geraten.
Unmittelbar links hinter Valerius ertönte Cygfas Stimme: »Da, wo der Hase durchgerannt ist - an genau der Stelle sollten auch wir die Reihen durchbrechen!«
»Richtig! Vorwärts!«
Der Wind peitschte ihm in die Augen, das Schwert hielt er waagerecht gegen den Körper gepresst, und sein Schild saß fest an seinem linken Unterarm. Das Krähenpferd war genauso leistungsstark und kampfbereit wie eh und je, und neben ihm rannte der Traumhund, den Kopf fast auf Höhe von Valerius’ Knie. Links von ihm ritt Longinus. Cygfa hatte ihr Pferd unterdessen rechts hinter das Krähenpferd gedrängt. Und selbst, wenn sie nun alle drei gleich in den ersten Augenblicken, da sie den Angriffskeil zwischen die Legionare trieben, sterben sollten, so hätte dieser Moment für Valerius dennoch nichts von seiner Makellosigkeit verloren.
Noch hatte Corvus seine Kavallerie nicht gegen sie gehetzt. Trotzdem hegte Valerius nicht den leisesten Zweifel daran, dass dies mit Sicherheit noch passieren würde... Doch selbst das würde dem perfekten Gefüge, als welches die Welt ihm mit einem Mal erschien, keinen Abbruch tun.
Denn zwischen ihm und Corvus herrschte endlich wieder Frieden. Darüber hinaus hielt der Tod das Versprechen der Wiedervereinigung
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