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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Und, wenn man es mal ganz deutlich formulieren will, wir sind hier ja schließlich unter uns, dann fragt Ursus gerade, warum Corvus damit ganz bewusst einen Verrat an unserem Kaiser begangen hat.«
    Sabinius, der dritte Mann in Ursus’ kleiner Zeltgemeinschaft, war fast zwei Jahrzehnte älter als seine Kameraden. Er kämpfte seit den ersten Tagen des Fünften Gallischen Kavallerieflügels unter Corvus’ Kommando und näherte sich mittlerweile der Pensionierung. Sein Haar war grauer als das des Präfekten, und sein Gesicht war von deutlich mehr Falten gezeichnet als das seines Befehlshabers, und dies, obwohl Sabinius doch wesentlich weniger Kummer und Verantwortung auf seinen Schultern zu tragen hatte.
    Als Standartenträger der ersten Truppe war er der älteste Offizier des gesamten Flügels unter Corvus’ Kommando. Er hätte also in seinem eigenen Zelt schlafen können, mit Sklaven, die ihm abends die Fackeln entzündeten und darauf Acht gaben, seine Schlafmatten stets trocken zu halten. Dennoch zog er auf den Feldzügen die Gesellschaft seiner Mitstreiter vor, was ihm unter diesen Männern wiederum eine gewisse Achtung einbrachte. Und genau diese Achtung vor Sabinius und das Vorbild an Kameradschaft, das er ihnen mit seinem bescheidenen Lager in deren Gemeinschaftszelt demonstrierte, war es schließlich, das den anderen Männern jenes Extraquäntchen an Durchhaltewillen bescherte, ohne das ein Krieg gar nicht erst durchzustehen war.
    Auch Sabinius lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt und das Gesicht dem vom Regen durchweichten ledernen Zeltdach zugewandt. »Trotzdem, du hast die falsche Frage gestellt, Ursus«, fuhr er in nachsichtigem Ton fort. »Denn warum Corvus das getan hat, das liegt ja wohl auf der Hand. Darum geht es also nicht. Die Frage ist doch vielmehr, warum wir ihm das haben durchgehen lassen. Warum haben wir ihn nicht einfach beim Gouverneur angezeigt? Und warum werden wir auch in Zukunft nichts dergleichen unternehmen?«
    Schweigen breitete sich aus im Zelt. Die Männer dachten nach.
    »Werden wir die Sache wirklich nicht melden?«, fragte Flavius in grüblerischer Stimmung. »Noch hätten wir Zeit dazu. Genau genommen könnte uns das vielleicht sogar das Leben retten.«
    »Keiner von uns wird auch nur ein Sterbenswörtchen über den Vorfall verlieren«, erklärte Ursus mit Nachdruck. »Denn sobald das herauskäme, würde man Corvus zum letzten Mal sein Schwert reichen und ihm einen winzigen Augenblick geben, auf dass er sich eigenhändig die Klinge in die Brust rammt. Sollte Corvus aber nicht schnell genug reagieren und erst einmal innehalten, um seine Seele zu den Göttern zu befehligen, nun, dann würde man ihn vor dem versammelten Lager als Verräter und als Feigling ans Kreuz nageln.«
    »Die Vorstellung gefällt mir«, sagte Flavius leise und in eigentümlich emotionalem Tonfall.
    Ursus aber schnaubte nur verächtlich. »Bist du des Lebens wirklich schon so überdrüssig? Nur unter Corvus’ Führung haben wir überhaupt eine Chance, diesen völlig planlosen Krieg vielleicht doch noch zu überstehen. Diesen endlosen Kampf gegen irgendwelche Hexenmeister und Krieger, die in die Schlacht ziehen, ohne dabei auch nur die geringste Angst vor dem Tod zu verspüren. Sollte Corvus sterben, dann gibt es niemanden mehr, der uns heil zurück in den Osten führt. Es war also in jedem Fall nicht die falsche Frage, die ich gestellt habe. Denn ich frage mich immer noch: Warum hat er das getan?«
    »Na, für Valerius natürlich, du Dummkopf. Warum tut er denn überhaupt irgendetwas?« Die anderen beiden hörten, wie Flavius sich umdrehte und an dem Becken mit den erhitzten Steinen rüttelte. Dieses war genau mittig zwischen den schmalen Feldbetten platziert worden, um mit seiner Glut zumindest den ersten Teil der Nacht über die Feuchtigkeit aus dem Zelt zu vertreiben. Für eine Weile wurde die Luft wieder etwas wärmer und roch nach verdampfendem Wasser.
    Aus der nasskalten Dunkelheit ertönte Flavius’ ungehaltene Stimme: »Ihr wart doch auch in der Eceni-Siedlung. Ihr habt ihn ebenso deutlich gesehen, wie ich ihn gesehen habe. Valerius war da, in dieser Siedlung, und er saß quicklebendig auf dieser unberechenbaren Bestie von einem Pferd. Und trotzdem schaffte Corvus es nicht, zu ihm zu gehen.«
    »Ja, meint ihr denn, dass er den Wunsch hatte, zu ihm zu gehen?« Ursus diente noch nicht ganz so lange in der Truppe unter Corvus’ Kommando wie seine Zeltgenossen. Er besaß also

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