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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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vollkommen weiß gewesen wären. Im Übrigen waren die Beine des Tieres ganz und gar weiß, und zwar von den Fesselgelenken bis hinauf zu den Knien und noch darüber hinaus.
    Deutlicher noch als all dieser Einzelheiten war Valerius sich jedoch bewusst, wie sich sein Zwerchfell mit einem Mal zusammenkrampfte, wie Hoffnung und Schmerz gleichermaßen in seinem Inneren aufwallten. Zögerlich machte er einen Schritt vorwärts und streckte dabei eine Hand nach der breiten Pferdewange und dem misstrauisch dreinblickenden, weiß umrandeten Auge darüber aus. »Sag mir, du Sohn eines Gottes, hat dein Ahn etwa...«
    Wieder legte das schwarz-weiße Pferd flach die Ohren zurück und keilte mit den Hufen nach der Seitenwand der Box aus. Zähne schlugen krachend auf Holz, so laut, dass das Geräusch förmlich die Dachbalken erzittern ließ. Überall im gesamten Stall erfuhr der ruhige, stetige Rhythmus eine kurze Unterbrechung, um nach einem kurzen Moment erneut und etwas schneller als zuvor wieder einzusetzen.
    Valerius stand ganz still da und starrte auf die Stelle, wo sich die Pferdezähne tief in das Eichenholz gegraben hatten. Sein Gesicht fühlte sich kalt und feucht an, und über die Mitte seines Rückgrats lief ein dünnes Rinnsal von Schweiß. Er zitterte an allen Gliedern, eine Reaktion, die nicht nur völlig unvorhergesehen kam, sondern ihm auch noch überaus unangenehm war. Folglich war er Longinus nur umso dankbarer für dessen Verständnis, als dieser zu ihm trat, mit einem kurzen Blick die momentane Gemütsverfassung seines Gefährten sowie die Gründe dafür registrierte und daraufhin beschloss, wortlos darüber hinwegzugehen. Valerius hatte ganz vergessen, wie gründlich sie einander doch kannten, er und Longinus. Die Erinnerung daran milderte den Schock, den der Anblick des Pferdes ihm versetzt hatte, wieder ein wenig ab.
    Unterdessen war Longinus ein paar Schritte zurückgewichen, um das Pferd aus sicherer Entfernung zu betrachten. Er stieß einen gedämpften, anerkennenden Pfiff aus. »Du lässt das eine wahnsinnige Pferd bei den Eceni zurück, und prompt beschafft Civilis dir ein anderes. Hatte er das Krähenpferd etwa als Zuchthengst eingesetzt, als ihr damals an den Ufern des Rheins stationiert wart?«
    Longinus war am Rhein noch nicht dabei gewesen, und er hatte auch nicht an den Gefechten unmittelbar im Anschluss daran teilgenommen. Doch er hatte den nur unvollständig erzählten Geschichten gelauscht und diejenigen Teile verstanden, die die wichtigste Rolle spielten, und er hatte das Krähenpferd in die Schlacht geritten, was außer Valerius keiner jemals gewagt hatte. Das allein machte Longinus schon einzigartig.
    »Eine von Civilis’ schwarzen Stuten brachte kurz vor der Invasion einen Sohn von Krähe zur Welt, der ebenfalls weiße Beine hatte«, erwiderte Valerius. »Ich dachte immer, sie hätten ihn als Vierjährigen getötet, weil er unmöglich zu reiten war. Aber da muss ich mich wohl geirrt haben.«
    »Das Pferd, das du meinst, wäre demnach mittlerweile schon fast zwanzig Jahre alt. Dieses Tier hier ist aber noch keine sechs. Es kann noch nicht allzu lange her sein, dass es zugeritten wurde.«
    »Ich weiß. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, es wurde geboren, während ich in Hibernia war. Es könnte also ein Enkel oder vielleicht auch ein Urenkel von Krähe sein. Es weist auf jeden Fall genügend typische Eigenschaften auf, die Krähe über die Generationen hinweg weitervererbt hat, um ein Abkömmling von ihm zu sein.« Valerius streckte eine Hand nach hinten aus und fand eine Wand, gegen die er sich lehnen konnte. Unsicher sagte er:
    »Könntest du mal einen Blick auf seinen Kopf werfen und mir sagen, was du siehst?«
    »Zwei Augen, zwei Ohren, eine Nase und ein Maul?« Longinus musterte ihn neugierig. »Wonach genau soll ich denn schauen?«
    »Nach der Zeichnung. Wie sieht die Zeichnung auf seiner Stirn aus?«
    Das Pferd hatte sich zwischenzeitlich wieder abgewandt und stand nun so, dass es in die dunkelste Ecke der Box blickte. Longinus ging um das Tier herum zu dessen Kopf und dann wieder zurück. Als er zu Valerius kam, war das Grinsen auf seinem Gesicht schlagartig verschwunden. »Es hat eine Scheibe auf der Stirn in Form eines zunehmenden Dreiviertelmonds und oberhalb davon eine strahlenförmige Linie, die an einen herabfallenden Speer erinnert. Julius, ist das etwa das Pferd aus deinem Traum?«
    Julius: der vertraute, private Name. Longinus benutzte diesen stets nur dann, wenn sie

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