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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Augen darunter wirkten blasser, als sie es früher gewesen waren, aber noch immer scharf genug, um einen Mann bis ins Innerste zu durchschauen und zur Aufrichtigkeit zu zwingen.
    »Sag mir, du, der du nach einem toten Kaiser benannt wurdest, den man noch vor dessen Tod zu verachten begann - wenn du auf die Geräusche dort draußen horchst, was hörst du dann?«
    Valerius registrierte dankbar, dass das Zittern in seinen Gliedmaßen inzwischen wieder aufgehört hatte. Er drehte seine Hand herum und betrachtete den eingerissenen Rand eines Fingernagels. Er hatte das »Kriegertanz« genannte Spiel schon mit Geringeren als Civilis von den Batavern gespielt und selten mit bedeutenderen Männern.
    Civilis’ Frage war nicht schwer zu beantworten. Die Geräusche, die von draußen hereindrangen, waren von einer Art, wie Valerius sie schon von Jugend an kannte, ein Lärm, der untrennbar mit den Legionen verbunden war und den nur Tausende und Abertausende von Männern erzeugen konnten, die sich in ihrer von höchster Stelle auferlegten Eile für einen Krieg rüsteten: das Klirren und Scheppern von Panzern und die lauten Rufe aufgeregter Männer, vermischt mit dem schrillen Wiehern von Pferden, welche die ersten Anfänge von Kampffieber spürten. Ein Kampffieber, das - wenn alle Glück hatten - auch einen langen, strapaziösen Marsch überdauern und vielleicht sogar noch für einen Teil der darauf folgenden Schlacht reichen würde. Die feinen Nuancen des Getöses waren zwar bei jeder einzelnen Kohorte und jeder einzelnen Legion ganz individuell und somit quasi einzigartig. Doch der Lärm in seiner Gesamtheit rührte eine Saite in Valerius’ Innerem an, die er längst für tot gehalten hatte, sodass ihn unwillkürlich eine gewisse prickelnde Erregung erfasste und seine Hand wie von selbst auf dem Heft seines Schwertes zu liegen kam, während sein Blut prompt schneller durch seine Adern pulsierte.
    Ebenso sehr deswegen wie aus instinktivem Gefühl für das Spiel entschied Valerius sich dafür, die ungeschminkte Wahrheit zu sagen.
    Während er dem alten Mann zum ersten Mal direkt in die Augen blickte, antwortete er: »Ich höre Pferde Heu fressen, die vorbildlich gepflegt und versorgt werden und die sich sicher fühlen. Ich höre, wie Rüstungen und Harnische bereit gemacht werden von Männern, die ihre Pferde als Brüder betrachten und die den Kampf lieben. Ich höre, wie sich ein Teil einer Legion, aber nicht das gesamte Heer, darauf vorbereitet, unter einem Mann zu marschieren, der die Kampfbegeisterung seiner Truppe zu lange Zeit zu stark angestachelt hat, sodass die Männer schließlich die Lust verloren haben und das Echte nicht mehr von einem Drill unterscheiden können.«
    »Allerdings. Dann empfindest du dich also zumindest als Teil dessen, was du da schilderst.«
    »Tue ich das?«
    Sie spielten nun nicht mehr länger. Jeder der drei Männer hatte allein deshalb bis zu diesem Tage überlebt, weil er den Unterschied zwischen Drohungen und der Realität kannte und weil er instinktiv auf das eine reagierte, nicht aber auf das andere. Longinus, der einen Schritt weiter den Gang hinunter stand, hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt. Nichts an ihm hatte sich verändert und doch zugleich alles. Sein Lächeln war noch genauso offen, seine gelblichen Habichtsaugen noch ebenso freundlich, sein Gleichgewicht noch ebenso gut wie zuvor - aber er konnte jetzt mühelos töten, wohingegen dies vorher nur ein Gedanke gewesen war.
    Valerius hatte ganz klare Prioritäten: Longinus durfte unter keinen Umständen sterben, und die Neunte musste unbedingt den Steinernen Pfad der Ahnen hinunter in den Hinterhalt marschieren. Diese beiden Dinge hatten absoluten Vorrang und zählten mehr als das Leben eines alten Mannes, ganz gleich, wie viel Verehrung man diesem in der Vergangenheit auch entgegengebracht haben mochte.
    Während er sich im Geist die Lügen zurechtlegte, die später notwendig sein würden, schätzte Valerius die Entfernung zwischen sich selbst und Civilis ab und die Zahl der Schritte, die er brauchen würde, um den Kopf des alten Recken zu packen und mit einem Ruck herumzudrehen, bis der sehnige Hals gebrochen war. Schon jetzt empfand er Bedauern über einen Tod, der doch im Grunde so sinnlos war. Er machte einen kleinen Schritt seitwärts, um eine Stelle zu finden, wo er sein Gewicht besser ausbalancieren konnte.
    »Ha!« Civilis lachte laut auf. Mit gewollter Lässigkeit lehnte er sich an die hinter ihm befindliche

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