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Die Kriegerin der Kelten

Die Kriegerin der Kelten

Titel: Die Kriegerin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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doch die Maus ließ sich nicht davon stören. Seit der Morgendämmerung war sie immer wieder in großem Bogen um ihn herumgehuscht, auf der Hut vor dem Bärengestank, den er verströmte, und verstört von der unerwarteten Wärme seines Körpers. Dann war der Wurm aufgetaucht, und offenbar war er einfach zu köstlich, um ignoriert zu werden.
    Die Ältesten der Kaledonier neigten zwar eher dazu, mit ihrem Lob zu geizen, doch in diesem Moment hätten sie Cunomar ihre Anerkennung ganz sicherlich nicht versagt. Denn die härteste Prüfung ihrer Lehren bestand darin, sich so absolut still und reglos zu verhalten, dass die kleinen - und auch die großen - Geschöpfe des Waldes oder des Heidelandes sich einem ohne jede Furcht näherten.
    Cunomar atmete noch leiser und vorsichtiger, um die Maus nicht zu verscheuchen. Seine Haut unter den dicken Schichten Bärenfett juckte unerträglich. Die Ringe aus weißem, mit Lehmerde vermischtem Kalk um seine Augen waren getrocknet und hatten die Haut zu Falten zusammengezogen, sodass er so aussah, als ob er permanent die Stirn runzelte. Kleine, spitze Zweige bohrten sich schmerzhaft in das Fleisch an seinen Knöcheln, seinen Hüften, seinen Rippen, seinem Kinn, kurzum an all jenen Stellen, wo sein Körper am stärksten gegen den Waldboden drückte. Verrückterweise war seine Kehle staubtrocken und lechzte förmlich nach Wasser, während seine Blase wiederum so voll war, dass ihm der Drang, sie zu leeren, äußerst unangenehm zuzusetzen begann. Die Haut auf seinem Rücken, wo die Wunden von der Auspeitschung noch immer nicht gänzlich verheilt waren, schmerzte. Die Stelle, wo sein Ohr gesessen hatte, brannte wie Feuer.
    Etwas weiter vor ihm hatte die Spitzmaus gerade eben den letzten Bissen ihrer Beute verspeist. Mit sichtlich gerundetem Bauch und nass um Schnauze und Brust herum von dem Lebenssaft des Wurms, bahnte sie sich einen Weg zurück unter die Blätterschicht und rollte sich dort zum Schlafen zusammen. Cunomar listete der Reihe nach jede einzelne Forderung seines Körpers auf, verdrängte diese dann erst einmal wieder mit aller Kraft aus seinem Bewusstsein und widmete einen Großteil seiner Aufmerksamkeit stattdessen dem hämmernden Herzschlag und dem winzigen, brutalen Maul der Spitzmaus, während er sich angestrengt bemühte, jeden Gedanken an Valerius und alles, wofür dieser stand, aus seinem Kopf zu verbannen.
    Eine plötzliche Veränderung in dem rhythmischen Vibrieren des Erdbodens lenkte seinen Blick schließlich wieder auf den Pfad der Ahnen zurück. Seine Augen waren auf gleicher Höhe mit dem höchsten Punkt des befestigten Wegs, also dem Scheitelpunkt jener Kurve, die auf der einen Seite zur Marsch und auf der anderen zum Wald hin abfiel. Somit war Cunomar nahe genug, um den Schweißgeruch der zahllosen, in mit Nieten beschlagenen Sandalen steckenden Füße riechen zu können, als die letzten Reihen der Neunten Legion an ihm vorbeimarschierten. Lebendes Fleisch klatschte mit jedem Schritt vernehmlich gegen Leder und Panzerung. Hunderte von menschlichen Lungen sogen den klammen, stetig dichter werdenden Nebel ein und stießen ihn mit einem rasselnden Geräusch wieder aus. Zehntausende von eisernen Nieten schlugen hämmernd auf den Steinpfad, und die Bäume warfen den Lärm als Echo in die Marsch zurück, wo er schließlich von der Stille regelrecht aufgesogen wurde. Im Gleichschritt marschierende Männer wurden zu eisengepanzerten, behelmten Geistern, die ganz unvermittelt aus dem Sumpfnebel auftauchten und unmittelbar darauf wieder darin verschwanden, sodass sie lediglich für die Zeitspanne eines Speerwurfs zu beiden Seiten jener Stelle sichtbar waren, wo der Sohn der Bodicea in seinem Versteck lag und sich nun anschickte, aktiv zu werden.
    Dann war der Spuk endgültig vorbei. Die letzten Fußsoldaten der abschließenden Kohorte stampften an Cunomars Versteck vorüber und wurden vom Nebel verschluckt. Danach kam nichts mehr. Die Stille, die eintrat, schmerzte beinahe noch mehr in den Ohren, als es der Lärm getan hatte.
    Die lange, geduldige, sich über eine ganze Nacht und einen halben Vormittag hinziehende Warterei trug schließlich und endlich die so sehnsüchtig erhofften Früchte. Vorsichtig bewegte Cunomar seine Hand um eine Haaresbreite nach links. Trockene Blätter erzitterten kurz an jener Stelle, wo die Spitzmaus schlief, und lagen dann wieder still. Während er im Lehm kniete und den Albtraum der Nacht endgültig aus seinem Bewusstsein verbannt hatte, mit

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