Die Kriegerin der Kelten
Schlachtruf brüllend - freudig und voller Energie aufs Neue in die Schlacht.
Die Bodicea und diejenigen, die mit ihr warteten, hörten zuerst einen Pfiff und dann das Schmettern eines Rinderhorns durch den Nebel schallen. Auf dieses Signal hin traten vier mit Äxten bewaffnete Krieger vor, um das Werk zu vollenden, das sie vor dem Aufmarsch der Legion begonnen hatten. Die Eiche, die quer über den Pfad der Ahnen stürzte, als der letzte Hornstoß verhallte, war so breit, wie ein Mann lang ist, und dicht mit Ästen und Zweigen bewachsen. Drei der vier Legionssoldaten, die genau in diesem Augenblick unter ihm hindurchmarschierten, wurden von dem mächtigen Baum erschlagen, und dem vierten zerquetschte es die Beine, sodass er ein nur allzu leichtes Ziel für einen Steinschleuderschützen abgab.
Es war Breaca, die das steinerne Geschoss abfeuerte und dabei auf den nachgiebigen Teil des Schädels zielte, nämlich auf jene Stelle oberhalb des Ohres des Mannes, wo die Knochen sich trafen. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war Breaca derart treffsicher gewesen, dass sie selbst noch ein in fünfzig Schritt Entfernung hochgehaltenes Haar hätte spalten können. Diese Zeit aber war leider - jedenfalls zumindest vorerst - vorüber, doch nachdem sie einen halben Morgen lang geübt hatte, hatte Breaca zumindest wieder so viel von ihrer alten Geschicklichkeit zurückerlangt, um einen Mann zu treffen, der weniger als eine Speerwurfweite entfernt unter einem Baum eingeklemmt war. Inmitten eines wahren Hagels von Speeren und Steinen war ihr Geschoss das Einzige, das nahe genug an der Stelle auftraf, die es hatte treffen sollen, und damit durfte Breaca innerhalb von zwei Tagen bereits den zweiten getöteten Feind für sich verbuchen, und sie hörte, wie die jungen Kriegerinnen und Krieger um sie herum ihren Treffer mit einer Begeisterung bejubelten, als ob dieser an sich schon ein Sieg über den Feind wäre.
An Breacas Seite stand Dubornos. Auch er war früher einmal gesund an Leib und Seele gewesen, bis er durch die Massaker Roms so schwer verwundet worden war, dass er kein Schwert mehr schwingen konnte, sondern sich wohl oder übel mit der Steinschleuder und dem Messer begnügen musste.
Breaca fühlte Dubornos’ Hand auf ihrer Schulter. »Mit der Zeit wirst du schon wieder zu deiner alten Treffsicherheit zurückfinden«, sagte er leise. »Für den Augenblick aber brauchen wir weder sonderlich glorreiche noch ehrenvolle Taten zu vollbringen. Im Moment müssen wir lediglich jene noch völlig unerprobten jungen Krieger, die vor weniger als einem Monat zum allerersten Mal ein Schwert ergriffen haben, das Kämpfen lehren.«
Genau das Gleiche hatte auch Valerius bei den nächtlichen Sitzungen der Ratsversammlung gesagt, und Breaca hatte es vor dem Kriegsheer wiederholt: Diese Schlacht dient in erster Linie der Ausbildung und Übung. Erwartet keinen Heroismus, tut einfach nur euer Bestes, um am Leben zu bleiben.
Es war Longinus gewesen, der gesagt hatte: »Selbst wenn es euch gelingt, die Nachhut der Legion vom Rest der Truppe abzuschneiden, wird es eine schwierige Angelegenheit für uns alle werden. Die Zenturionen der Neunten sind allesamt bereits in den germanischen Provinzen im Kampfeinsatz gewesen. Die verstehen was vom Kämpfen, so viel steht fest. Sobald sie erkennen, dass sie ganz auf sich allein gestellt sind, werden sie das Kommando über ihre Leute übernehmen und versuchen, die Ordnung zumindest so lange aufrechtzuerhalten, bis Hilfe eintrifft. Rechnet nicht damit, dass sie ihr Leben kampflos aufgeben werden.«
Longinus hatte großen Eindruck auf Breaca gemacht, und jedes Mal, wenn sie ihm begegnete, stieg er noch mehr in ihrer Achtung. Der Seelenfreund ihres Bruders war ein ruhiger und nachdenklicher Mann, und wenn er seine Meinung äußerte, was allerdings nicht oft geschah, dann war sie wohlbegründet.
Eingedenk seiner Warnung hatte Breaca daraufhin aufmerksam den prunkvollen Zug der Offiziere beobachtet, die an der Spitze der Marschkolonne ritten, und dabei ihr besonderes Augenmerk auf die härteren, durchtriebeneren Gesichter der Zenturionen gerichtet, als diese an ihr vorüberzogen. Dies waren die Männer, die die Möglichkeit eines Überfalls aus dem Hinterhalt erkannt hatten, lange bevor es tatsächlich dazu kam, und die womöglich auch die halb gefällten Bäume bemerkt hatten, die in gewissen Abständen entlang den Rändern des Steinernen Pfads der Ahnen standen und gefährlich im Wind schwankten,
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