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Die Kristallhexe

Titel: Die Kristallhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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erwartet dich.«
    Angela zog die Sandalen an und folgte ihm. Hinter ihr schwang die Tür langsam zu.
    Angela musste sich beeilen, um Alberich einzuholen. Jeder Schritt verriet die Energie, die in ihm steckte. Im Licht der Fackeln tanzte sein Schatten über die Wände wie ein Derwisch. Er schien Angela zu locken, und sie folgte ihm.
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie, als sie nach der zehnten oder elften Abzweigung die Orientierung verlor.
    »Zu einem Raum, den niemand kennt außer mir!«, rief Alberich über seine Schulter. »Und bald dir.«
    Sie schloss zu ihm auf. »Was ist in dem Raum?«
    Er antwortete nicht.
    Die Gänge wurden schmaler. Angela sah weder Soldaten noch Diener. Irgendwann nahm Alberich eine Fackel aus ihrer Halterung, ging eine Treppe hinunter und bog in einen dunklen Korridor ab, dessen Steinwände unbeleuchtet waren. Angela hörte nur ihre und seine Schritte, ansonsten war es still. Sie mussten sich tief im Palast Morgenröte befinden. Niemand schien an diesen Ort zu kommen, denn die Luft roch modrig und schmeckte nach Staub. Sie waren allein.
    »Ist es noch weit?«, fragte Angela. Ihre Stimme klang dumpf und fremd.
    »Wir sind schon da.« Alberich blieb stehen und hob die Fackel.
    Angela betrachtete die Mauer, die von der Flamme erhellt wurde. Sie unterschied sich nicht von all den anderen Mauern, die sie im Palast gesehen hatte - glatte Steine, die ohne Mörtel perfekt zusammengefügt worden waren.
    Angela wollte Alberich fragen, wie hinter dieser Mauer ein Raum sein könne, doch der streckte bereits die Hand aus. Plötzlich sah sie eine goldene Klinke unter seinen Fingern. Der Stein verschwamm vor ihren Augen, wurde zu dunklem Holz, zu einer Tür.
    Alberich drehte den Kopf und lächelte. »Ein Täuschungszauber«, sagte er. »Erst wenn man die Klinke berührt, kann man die Tür sehen.«
    »Ist das dein Zauber?«
    »Nein, den gab es schon lange vor mir.« Alberich drückte die Klinke nieder, und die Tür schwang lautlos auf. Licht fiel durch den Spalt, dann blickte Angela in einen kreisrunden, hell erleuchteten Raum. Sie kniff die Augen zusammen und hob eine Hand, um sich vor dem Licht zu schützen. Es gab keine Lampen, kein Fenster, die Mauern selbst leuchteten.
    Alberich deutete eine Verbeugung an und ließ Angela den Vortritt. Der Raum war leer, die Wände kahl. Nur der Boden erstrahlte in bunten, klaren Farben. Er bestand aus einem Mosaik, dessen Steine - waren es Diamanten oder vielleicht Kristalle? - ein kompliziertes, verschlungenes Muster bildeten. Angela nahm die Hand herunter. Mit Blicken versuchte sie den Linien zu folgen, aber sie verknoteten sich vor ihren Augen zu einem unentwirrbaren Knäuel, das ihr Kopfschmerzen bereitete. Rasch sah sie weg.
    »Ist das auch Magie?«, fragte sie, als Alberich die Tür hinter sich schloss. Die Fackel trug er nicht mehr bei sich, hatte sie wohl im Gang gelassen.
    »Ja, eine mächtige, uralte Magie.« Zum ersten Mal, seit Angela ihn kannte, wirkte Alberich ehrfürchtig. Er ging in die Knie und ließ die Finger über das Muster gleiten. »Lan-an-Schie, die Schöpferin dieses Reiches, hat diesen Raum für den Priesterkönig Johannes gebaut, damit er auf kurzem Weg jedes Ziel in ganz Innistìr erreichen konnte. Wenn du etwas von Magie verstündest, würdest du erkennen, in was für einem Wunderwerk du stehst.«
    Angela hörte Bedauern in seiner Stimme. »Bring mir bei, etwas davon zu verstehen. Ich lerne schnell.«
    »Ja, natürlich.«
    Doch er hörte ihr kaum zu, das spürte sie. Sein Blick glitt über die Muster, als wären sie eine leicht zu verstehende Schrift, kein verwirrendes Knäuel. »Anne nannte diesen Raum den Ort der kurzen Wege, aber ich bezeichne ihn als Portal.«
    Ein Portal? Angela begriff auf einmal, was er meinte und weshalb er den Raum geheim hielt. Die Macht, die von einem solchen Zauber ausging, war gewaltig. »Es kann uns an jeden Ort in Innistìr bringen?«, fragte sie.
    Alberich nickte, ohne aufzusehen. »Soweit ich weiß.«
    Einen kurzen Moment lang sah Angela die Gesichter ihrer Kinder vor sich. Etwas zerrte so schmerzhaft an ihr, dass sie beinahe geschrien hatte, dann verschwand der Drang so schnell, wie er auf getaucht war. Alberich hatte ihn trotzdem bemerkt, denn sein Blick richtete sich auf Angela.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte er.
    Sie schluckte, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich habe nur darüber nachgedacht, wie es sich wohl anfühlen wird, durch ein Portal zu reisen.«
    »Du musst keine Angst davor

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